Warum Bilderbücher und Bandagen unter einem Dach Sinn machen können: ein Besuch im Sanitätshaus Hellbach in Amberg
„Bin ich hier richtig? Ich habe ein Rezept für Kompressionsstrümpfe…“ Manche Kundinnen und Kunden sind zunächst verunsichert, ob sie wirklich die richtige Tür gewählt haben. Doch schnell verdrängt Neugier ihre anfängliche Skepsis. Denn beim Betreten fällt der Blick nicht nur auf medizinische Hilfsmittel, sondern ebenso auf Mode, Wohnaccessoires und Kinderbücher. Willkommen im Sanitätshaus und Concept Store Hellbach.
In der Küche klappern Tassen, und es wird herzhaft gelacht. Susanne Hahn schenkt einer Kundin einen Kaffee ein. Dann tauscht sie sich kurz mit einer Mitarbeiterin aus, bevor sie für eine Patientin die passende Kabine herrichtet. Dieser fließende Wechsel zwischen Herzlichkeit, Beratung und Alltag kennzeichnet die besondere Atmosphäre im Sanitätshaus Hellbach. Kommunikation, Lebensfreude und ein Miteinander prägen die Stimmung. Die Kundinnen und Kunden spüren: Hier sind Menschen, die sich um mich kümmern – und zwar ganzheitlich.
Fließender Übergang
Anfang des Jahres hat das Sanitätshaus Hellbach die Räumlichkeiten im Erdgeschoss eines neuen Ärztehauses bezogen. Auf rund 550 qm setzen Susanne und Matthias Hahn ihr außergewöhnliches Konzept um: ein Sanitätshaus und eine Concept-Store-Fläche, die fließend ineinander übergehen.
Susanne Hahn geht damit ihren Weg, den sie seit ihrem Einstieg in die Sanitätshausbranche verfolgt, konsequent weiter. „Wir hatten die Idee schon an unserem bisherigen Standort. Auch dort verkauften wir bereits Dekoartikel und Wohnaccessoires. Angefangen hat alles damit, dass ich von zu Hause aus Sachen zur Dekoration mitbrachte. Als Kunden diese Artikel kaufen wollten, entwickelten wir den Concept Store-Ansatz.“
Inzwischen reicht die Auswahl von Mode, Dessous und Schmuck über Gewürze und Geschenkartikel bis zu Postkarten, Kinderbüchern und frischen Blumensträußen. „Es war ein ganz schöner Kampf, bestimmte Marken zu führen“, erläutert die Unternehmerin. Doch sie blieb hartnäckig, erklärte immer wieder das Konzept und überzeugte so unter anderem die Bekleidungsmarke Armedangels oder das angesagte Rucksack-Label Kapten & Son.
Das Sortiment lädt zum Stöbern und Entdecken ein. Susanne Hahn legt Wert auf die Präsentation. „Wir haben wahnsinniges Glück, denn bei uns arbeitet eine talentierte Visual-Merchandiserin, die unser Geschäft immer wieder in kleine Wohlfühloase verwandelt. Fast wöchentlich überrascht sie uns mit neuen Ideen und dekoriert um.“ Ganz bewusst können die Kunden Cracker oder Gewürze testen. „Wer etwas im Mund hat, kauft eher.“
Neue Ideen findet sie auf Fachmessen wie der Trendset in München oder auf Reisen in den Niederlanden, wo Concept Stores stärker verbreitet sind als in Deutschland. Der Effekt: „Wir ziehen Kunden an, die nicht krank sind“, führt Susanne Hahn aus. Aber auch die Sanitätshaus-Kunden nehmen im Concept Store gerne noch etwas Schönes als Geschenk oder für sich selbst mit. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass das Konzept so gut angenommen wird“
Wohlfühlatmosphäre
Susanne und Matthias Hahn lieben Schweden. Das Geschäft erstrahlt in einem hellen, freundlichen Skandi-Style kombiniert mit einem modernen Industrial Look.
Porträts und Zitate der schwedischen Kinderbuchautorin Astrid Lindgren finden sich auf der Store-Fläche, in den Kabinen oder auf der Toilette. Individualität wird bei der Gestaltung großgeschrieben. Das zeigt sich in den Details: Auf den Digital-Screens an den Rückwänden und dem abgehängten Warenträgersystem laufen keine austauschbaren Stockfotos, sondern eigene Aufnahmen aus diversen Schweden-Urlauben. Und auf der Schiefertafel vor dem Geschäft charakterisiert sich die Hellbach-Familie selbst: „Die perfekte Mischung aus Chaos, Verrücktheit und ganz viel Liebe“ steht dort geschrieben.
Nicht nur mobilitätseingeschränkte Menschen schätzen den ebenerdigen Eingang und die breiten Gänge. Eltern mit Kinderwagen können sich bequem umschauen und in Ruhe einkaufen. Für Frequenz sorgt nicht zuletzt die Kinderarztpraxis im Ärztehaus.
Das Geschäft verfügt über vier Sanitätshaus-Kabinen und zwei Umkleiden im Concept Store. Wichtig für reibungslose Abläufe im Versorgungsalltag: Das Kompressionsstrumpflager ist von allen vier Kabinen aus schnell zu erreichen. Die Räume sind nicht nur freundlich gestaltet, sondern überzeugen durch Funktionalität. So ist die Kabine für die Brustprothesen-Beratung mit einer weiteren Indoor-Kabine ausgestattet. „Viele Frauen sehen sich bei der Anprobe bei uns erstmals wieder bewusst unbekleidet. In diesem intimen Moment möchten sie vielleicht für sich sein, ohne dass eine Mitarbeiterin direkt danebensteht“, erklärt Matthias Hahn. In einer weiteren Kabine werden maschinelle Lymphdrainagen-Therapien mit einem Lymphomaten durchgeführt. Während der Anwendung können die Kundinnen auf Wunsch unter einem Sternenhimmel Entspannungsmusik hören.
Dieses besondere Ambiente spricht sich herum. Das Einzugsgebiet in der Brustprothetik und Flachstrick-Therapie reiche inzwischen weit über Amberg hinaus, freut sich Susanne Hahn und berichtet von Kundinnen, die teilweise extra von hinter München oder aus der Region Fulda anreisen. Auch spiegeln sich die Beratungsqualität und die Wohlfühlatmosphäre in einem nicht zu verachtenden Freiverkaufsanteil wider. Matthias Hahn beziffert ihn auf 15 bis 20 Prozent.
Ebenso wie die Kundinnen und Kunden sollen sich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen. Neben einem attraktiven Personalraum gibt es daher für Radfahrer im Personal-WC eine Dusche.
Solche weichen Faktoren entwickeln sich zunehmend zum Wettbewerbsvorteil beim Kampf um Mitarbeitende. Schließlich ist Hellbach auf Wachstumskurs. Matthias Hahn übernahm das Sanitätshaus im Jahr 2007 mit elf Mitarbeitenden. Heute beschäftigt Hellbach 22 Kolleginnen und Kollegen, die zumeist über Berufserfahrung im Einzelhandel oder als Arzthelferin verfügen.
Viel Platz für Reha
Vom Concept Shop führt der Weg an den Kabinen vorbei in den rund 450 qm großen Reha-Showroom. Als auf der benachbarten Fläche eine Physiotherapiepraxis absagte, schlugen Susanne und Matthias Hahn zu. „Der Reha-Bereich ist bei uns stark gewachsen. Daher nutzten wir die Chance, uns in diesem Bereich großzügig für die Zukunft
Das Sanitätshaus Hellbach verfügt über eine lange Schaufensterfront.
aufzustellen“, berichtet OTM Matthias Hahn. Der neue Standort liegt zudem logistisch günstig direkt gegenüber der orthopädietechnischen Werkstatt. Mobilitätshilfsmittel können hier auf der Teststrecke direkt ausprobiert, Betten und Badezimmer-Hilfen verglichen und ausgewählt werden. Praktisch: Die Mittelraummöbel der Ladenbaufirma Helia lassen sich unkompliziert zur Seite schieben, sodass in der Mitte eine große Veranstaltungsfläche entsteht. Vor dem Kassentresen kann bei Bedarf eine Leinwand von der Decke heruntergelassen werden. Die Decke ist mit speziellen Schallabsorptionspaneelen ausgestattet, um eine angenehme Akustik zu ermöglichen.
Zimtschnecken und Modenschauen
Vom Buttercremetorten-Nachmittag bis zur Modenschau: Mit Events und Kursen fördern die Unternehmer die Kundenbindung. Auch das schwedische Midsommar wird stilecht begangen. Susanne Hahn steht dann morgens um 4 Uhr auf, um Zimtschnecken zu backen. Alle Veranstaltungen werden auf Instagram und Facebook angekündigt und begleitet. „Ohne die sozialen Medien wäre ich nicht so weit gekommen“, ist Susanne Hahn überzeugt. Über 3.200 Follower auf Instagram und rund 1.100 Follower auf Facebook bezeugen die Reichweite.
„Das Geschäft sieht jetzt genau so aus, wie ich es mir gewünscht habe“, sagt die Unternehmerin. Stillstand ist
aber nicht angesagt. Susanne Hahn schmiedet bereits Pläne für die Zukunft. So würde sie an manchen Tagen gerne ihr Gastronomie-Angebot ausbauen. Vor ihren Augen hat sie ein Café, wo sich Senioren austauschen und parallel etwas über Rollatoren erfahren.
Susanne und Matthias Hahn beweisen, wie stimmig sich medizinische Hilfsmittel mit anderen Produkten kombinieren lassen. Der Concept Store bringt Menschen niedrigschwellig mit Hilfsmitteln in Kontakt. Mit diesem unkonventionellen Zugang neben den klassischen Wegen aus der Klinik oder Arztpraxen, der 2022 bereits mit einem Leonardo Award ausgezeichnet wurde, wappnet sich das Sanitätshaus Hellbach auch auf etwaige Veränderungen im Gesundheitssystem. Diese Ausrichtung hat auch aus Sicht ihrer beiden Söhne Zukunft. Tom und Max sind bereits beide im Unternehmen tätig.
Das sagt Innenarchitektin Elke Park
Für Planung und Architektur des Sanitätshauses und Concept Stores Hellbach zeichnet das Planungsbüro Parkraum Konzepte und Consulting verantwortlich. Innenarchitektin und Inhaberin Elke Park sagt: „Anstelle einer rein funktionalen Verkaufsfläche wurde ein Raum mit hoher Gestaltungs- und Servicequalität geschaffen, der medizinisches Fachwissen nahbar und ansprechend präsentiert. Die Innenarchitektur schafft klare Zonen für Beratung und Entdeckung und macht den Einkauf von Gesundheitsprodukten zu einem diskreten und positiven Erlebnis. So ist ein identitätsstiftender Ort entstanden, der Vertrauen schafft und Gesundheit und Lebensfreude selbstverständlich miteinander verbindet. Das lichtdurchflutete Ambiente lädt zu mehr als lediglich zum Verweilen ein.“
Zum Einsatz kommt ein besonders flexibles und deckengehängtes Warenpräsentationssystem. Außerdem
wurden in hoher Anzahl großflächige weiße, stromführende Rückwände mit schmalen schwarzen Lisenen für die Produktpräsentation angebracht.
Elke Park hebt die Bedeutung von Visual Merchandising (VM) hervor, um Kunden emotional zu erreichen. „VM fördert den Selbstbedienungscharakter und animiert zum Shoppen, Flanieren und Ausruhen. Außerdem untermalen digitale Elemente, also große und kleinere Monitore, das verkaufsfördernde Ambiente und erhöhen die Verweildauer im Shop.“ Verschiedene Pflanzen, eine zukunftsweisende Klimatechnik sowie die sehr großzügig gestaltete Küche mit Kochgelegenheit runden den Auftritt ab. „Der Concept Store Hellbach ist ein Ort der Bewegung. Hohe Flexibilität und die Gestaltungsvielfalt erlauben die Begegnung von Menschen mit unterschiedlichem Bedarf, Alter und Herkunft. Er lädt zu mehr als Shopping und einer Tasse Kaffee ein.“








