Retail auf Rezept
Liebe Leser, ich wette, einige von Ihnen besitzen eine Black- roll fürs Workout, ein Stützkissen für den gesunden Schlaf oder vielleicht eine Knie- oder Handgelenksbandage, als es nach dem letzten Tennismatch oder der Bergtour doch etwas länger als gedacht gezwickt hat. Wo holt man sich diese Gesundheitsartikel – Online-Bestellung ausgeschlossen? Genau, im Sanitätshaus. Dem Fachhandel, der alle erforderlichen medizinischen oder präventiven Produkte bereithält. Immer mehr moderne Gesundheitshäuser erkennen in diesem Segment ihre Chance und setzen mit neuartigen Ladenflächen ihr erweitertes Portfolio in Szene. Gemeinsam mit der Innenarchitektin Elke Park von PARK-RAUM, Expertin für Retail im Gesundheitsmarkt, beleuchten wir in der Top Story ein Thema, das erst einmal „unattraktiv“ oder „glanzlos“ klingen mag. Bei genauerem Hinsehen stellt es jedoch eine absolut spannende und überaus fordernde Welt im Fachhandel dar: die Rede ist vom Retail im Gesundheitswesen und dessen ästhetischer Vermarktung. Ein Bereich, der mittlerweile alle raumbildenden Hürden hinter sich lässt.
Im Professional Profile stellen wir den Wahl-Amerikaner und Creative Director seiner eigenen Visual Merchandising Agentur Matthias Spanke vor. Nach seinem erfolgreichen Einstieg in die Branche folgte der Umzug in die USA. Auf den Seiten 12 bis 13 wirft STYLE GUIDE einen Blick auf seine solide Expertise.
Die Kolumne verfasste Wolfgang Gruschwitz, Gründer und Geschäftsführer der Gruschwitz GmbH, über das omnipräsente Thema Digital & Analog. Der Bauingenieur beruhigt den Einzelhandel: Der analoge Bereich ist wahrscheinlich lebendiger als zuvor, besetzt aber eine neue Nische.
In den Short Cuts zeigen wir Ihnen die Herbstfenster der großen Häuser und Metropolen, ebenso wie Displays voll Kunst, Herzblut und innovativen Auslagen. Digital geht es bei den Events & Trade Shows weiter. Dort stellt sich der neueste Mitarbeiter des Modehauses Leffers während des „Mode & Lifestyle“ Events vor: Pepper – ein humanoider Roboter, der von nun an in der Filiale begeistert. Affenstark präsentiert sich das Shop Design. Ein weißer Affe lehrt den Gästen der international ausgerichtete Restaurant-Marke Marché das italienische Dolce Vita. Ein Interview mit Arno Geidt, Geschäftsführer von Visual Creation GmbH & Co.KG, beschließt diese Ausgabe.
Nun wünsche ich Ihnen, liebe Leser, eine kreative Auszeit mit dieser STYLE GUIDE.
Herzlichst
Brödner Petra
Chefredaktion STYLE GUIDE
Health & Retail
Immer mehr Gesundheitshäuser setzen sich mit neuartigem Ladenkonzept in Szene. PARKRAUM schafft es als Planungsbüro für Retail im Gesundheitsmarkt Fachhandel und Showroom auf einen Nenner zu bringen und Einkaufserlebnisse zu kreieren, die Reha-Patienten, Prothesenträger oder Präventionsinteressierte gleichermaßen ansprechen. Mit einem frischen, innovativen und zeitgemäßen Ambiente voll Vertrauen und Wertschätzung.
Geschichten erzählen, Emotionen schaffen, eine Erlebniswelt offerieren. Das sind die Schlagworte im Visual Merchandising. Die Kreativen der Branche bedienen sich daran, um die Vorzüge gegenüber dem Onlinehandel aufzuzeigen. Aber auch, um den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden. Doch wie verhält sich Retail, wenn das Sortiment vom Igelball über Pflegebetten bis zur Hightech-Prothese reicht? Wenn die heterogene Zielgruppe 0 bis 99 Jahre umfasst? Und vor allem, wenn es vornehmlich um Rezepte statt Rezipienten geht? – Wie schaffen es Retailer im Gesundheitssektor diese Herausforderung zu meistern?
Abschied vom „Retail auf Rezept“
Hand aufs Herz, jeder kennt noch eins dieser verstaubten, absolut unübersichtlichen Sanitätshäuser, bei denen man bis auf das Verschriebene oder Benötigte kaum etwas von der restlichen Auslage wahrnimmt – oder wahrnehmen möchte. Getreu dem Motto: Rein, Rezeptabgabe, raus. Doch es geht auch anders. Auf Reaktion statt Resignation sowohl bei der Laden- als auch optischen Sortimentsgestaltung setzt äußerst beeindruckend Elke Park, Geschäftsführerin des Stuttgarter Innenarchitekturbüros PARKRAUM und Expertin für Retail auf dem Gesundheitsmarkt. „Die Branche ist selbstverständlich immer noch durch das Rezeptgeschäft geprägt, aber die großen und modernen Betriebe stellen sich autark auf“, verrät die Innenarchitektin. Schließlich ist der Patient über das Rezept hinaus auch Kunde – und somit Selbstzahler. PARKRAUM hat es sich auf die Fahne geschrieben, die hochwertigen Produkte positiv zu belegen und als solche prominent darzustellen. Dazu bedarf es eines gewissen Ambientes sowie eines ansprechenden visuellen Marketings.
Vom Säugling bis zum Senior: Der Mensch im Mittelpunkt
Laut Elke Park benötigt der Kunde eine besondere Ansprache: „Der Verkaufs-raum lebt in diesem speziellen Markt-segment der Gesundheitsbranche, dem Sanitätshaus, stark vom positiven Ein-druck, den die Kunden – oft Patienten genannt – erfahren sollen. Somit ist ein wirkungsvolles Wohlfühlambiente überaus wichtig, ja elementar.“ Wie auf jeder Shopfläche im Retail soll ebenso eine Erlebniswelt geschaffen werden, die aber zugleich Ruhe, Intimität und Vertrauen offeriert. Einen riesen Spa-gat, den der medizinische Fachhandel im Vergleich zum „regulären“ Handel zu bewältigen hat. Dazu kommen noch die unterschiedlichen Bedürfnisse, Wünsche und auch Anforderungen, weshalb ein Kunde das Sanitätshaus betritt. Aufgeteilt auf die größtmögliche Altersgruppe – nämlich vom Baby bis zum Hundertjährigen. „Ein moderner Eindruck mit neuartigen Gestaltungs-medien sowie Emotionen auf der Verkaufsfläche bringen den eleganten Mix, um auf das breite Kundenspektrum zu reagieren“, verdeutlicht die Planerin. Der Ladenbau im Gesundheitswesen folgt also zunehmend den gleichen Trends wie der stationäre Einzelhandel. „Allerdings muss ein Sanitätshaus nicht ganz so glamourös sein“, so Park. Blickt man auf das neueste Projekt im PARKRAUM-Portfolio wirkt es, als sei das Sanitätshaus Göldner im niederbayerischen Eggenfelden ein Showroom par excellence und absolut glanzvoll. Was normalerweise ein bloßes Einstellen neuer Möbel in die Ladenfläche oder eine nüchtern eingebaute, technische Kabinen-Ausstattung bedeutet, ist kein Vergleich zu diesem Bau. Durch den sensiblen und zielorientierten Umgang mit Form, Farbe und Material sind die Produkte überaus attraktiv arrangiert.
Das einzigartige Visual Merchandising Konzept – das übrigens alle PARKRAUM Showrooms prägt – erzielt über die Re-zepthandhabung hinaus das Bewerben der Ware. Neue Ideen wie Kinderzonen, Bistro-Nischen und designte Dessous-Umkleidekabinen zeigen, dass der Respekt für den Kunden und dessen Beratung oberste Priorität hat.
Modernität ist Wertschätzung am Kunden
Wie eine Fläche gestaltet wird hängt auch von den Fachbereichen ab. Die Expertin erklärt: „Sanitätshaus, Ortho-pädieschuhtechnik oder Medizintechnik werden nicht in allen Fachbetrieben präsentiert.“ So passt sich der Raum an die verschiedenen Ressorts an. Wo man sehr intime Themen bespricht wie z.B. die Brustprothetik, verlangt es auch nach einer Raumgestaltung mit viel Einfühlungsvermögen, um den Kundinnen die Anprobe im angenehmen Ambiente zu ermöglichen. „Keine schrillen Farben, dafür großflächige Tapetenmuster mit modernen Motiven, fließende Stoffe als Vorhang.“
Auch wenn der Grundriss erster Taktgeber ist, der Möglichkeiten, aber auch Grenzen aufzeigt, steht der Mensch im Mittelpunkt aller Planungen. Darum darf es in anderen Bereichen ruhig etwas mehr sein. „Das Thema Mobilität verlangt nach Show. Skooter, elektrisch betriebene Rollstühle und designte Rollatoren wollen auf einem Echtweg-Parcours getestet werden. Das verspricht Emotion pur!“ Auch die Sportler und Präventions-Kundschaft vergisst PARKRAUM nicht. Diese werden von Anfang an in eine positive Stimmung versetzt, Dank des richtigen Warenmix kombiniert mit affinen Themen. Displays und sportlich gekleidete Mannequins runden das Powerambiente ab.
Leitmotiv Licht
Ist das Ladenkonzept gefestigt, kommt eine äußerst wichtige raumbildende Komponente: Die Lichtführung. „Besonders in der Gesundheitsbranche sollte das Licht nicht zu grell, aber auch nicht zu gedimmt sein. Die hochwertige Darstellung der Ware erfährt bei uns durch Lichtstimmung eine Unterstützung in der Präsentation“, fasst Park zusammen. Der Kunde wird durch das Licht gelenkt und zum Produkt geleitet. Beleuchtung ist also nicht bloßes Deko-Element, sondern bringt Struktur in die Sortimentsvielfalt.
Im Sanitätshaus Göldner wurden beispielsweise die bestehenden Achsen zusammen mit den Lichtexperten von Ansorg beeindruckend genutzt. Das zentrale, alles verbindende Element im Verkaufsraum ist eine imposante Baumstruktur. Die deckenhohe Skulptur steht für lebendige Beständigkeit und realisiert das Licht einer Sommersonne. Erneut ein strahlendes Ergebnis im Health-Ladenbau, das glanzlose Zeiten der Sanitätshäuser in den Schatten stellt.
Text: Petra Brödner
STYLE GUIDE spricht mit Elke Park über Ästhetik im Sanitätshaus
Elke Park hat sich in den vergangenen 15 Jahren als Expertin im Bereich Gesundheit und Retail etabliert. Sie studierte Architektur, Innenarchitektur und Bauingenieurwesen. In ihrem Team von PARKRAUM entwickelt sie innovative Gesundheitshäuser – auf Wunsch mit eigenem Health Design.
Wann fiel die Entscheidung: Ich revolutioniere den medizinischen Fachhandel und bringe das Design in deutsche Sanitätshäuser?
Wie das Leben so spielt bin ich vom Retail kommend in diese Branche hineingerutscht. Einer der größten zu der Orthopädie gehörenden Betriebe hat neu gebaut. Der leitende Architekt war mit dem Innenraum und mit dem Umgang des Sortiments sowie der Warendisplays nicht vertraut. Das war mein Start für Retail im Gesundheitsmarkt.
Die Produkte der Gesundheitsbranche benötigen eine überzeugende Plattform, um zu wirken.Wie sind Sie auf die Idee gekommen mit PARKRAUM selbst Möbel zu entwickeln?
Mein Aufgabenfeld erstreckt sich in vielerlei Hinsicht auf weit mehr als auf bloße Innenraumkonzepte. Dabei stolpere ich ständig auf Elemente, die eine große Störung der Wohlfühlatmosphäre darstellen. Es sind aber auch Anforderungen der Bauherren, die mich inspirieren. Deshalb komponierten wir Möbel, die einfacher zu handhaben und funktioneller sind und das Design unterstützen – Form follows Function: Wir entwickelten Rollstuhl- und Rollatordisplays, die durch gezieltes Ausleuchten das Produkt fokussieren. Eine Medienwand, die Digital Signage mit Retail auf geniale Weise verbindet. Oder ein emotionales Präsentationsdisplay für Mobilität, das Felder sowie Wiesen darstellen kann, oder mit Rückwand das Storytelling liefert. In unseren Schubladen schlummern ganze Shop-in-Shop-Systeme.
Neben Innenarchitektur und Ladenbau scheint Visual Merchandising ein weiterer Eckpfeiler Ihrer „Health & Retail“ Projekte. Wie erreichen Sie diese ganz-heitlichen Designkonzepte?
Ohne die konkrete Kundenansprache durch den Warenaufbau gibt es kein schlüssiges Gesamtkonzept zwischen Sortiment und dem Innenraum. Die Ideen entstammen meiner Feder. Dies ist das Ergebnis langjähriger Erfahrung in facheigenen sowie fremden Branchen, die im Retail, Sport oder privaten Wohnungsbau angesiedelt sind. Zudem kommen Fachmessen-Besuche, wie der EuroShop oder Light + Building. So sind Inspirationen punktgenau in diesen speziellen Markt zu übertragen. Außerdem sollte vermehrt die Beduftung integriert werden. Das wird sich in der Zukunft weiter durchsetzen, davon bin ich überzeugt. Der Duft als „Second Sense“ nach der optischen Wahrnehmung.