Ergonomisches Arbeiten

Ergonomisches Arbeiten – vom Büro bis zur Werkstatt

CHRISTINA BAUMGARTNER

Die ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen ist für die Gesunderhaltung der Mitarbeiter essenziell, deren Zufriedenheit mit der Arbeitsumgebung wiederum auch für den Kunden spürbar. Sind Arbeitsplätze – vom Empfang über die Büroräume bis hin zur Werkstatt – ergonomisch sinnvoll ausgestattet, profitieren davon letztendlich alle Beteiligten.

Ziel der Ergonomie (griech. ergon = Arbeit und nomos = Gesetz, Regel) ist es eine optimale Anpassungsung  der  Arbeitsumgebung  und  der  Arbeitsgeräte an menschliche Bedürfnisse zu finden. Eine wichtige Rolle bei der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung spielen Arbeitsbedingungen  und  Arbeitsabläufe  sowie   räumliche Faktoren (zum Beispiel Beleuchtung und Raumtemperatur). Grundsätzlich sollte Ergonomie alle Arbeitsplätze in einem Betrieb umfassen: von der Ladenfläche über die Büros bis hin zur Werkstatt.

Ergonomie als Umsatzfaktor?

Schaubild: Parkraum

"Die richtige ergonomische Ausstattung ist sehr wichtig für den Wohlfühlaspekt und kann infolgedessen auch die Umsätze eines Betriebes beeinflussen", sagt Elke Park, Parkraum - Büro für Innenarchitektur mit Firmensitz in Stuttgart. "Fühlt sich der Mitarbeiter während eines Verkaufsgespräches oder bei der Beratung sichtlich unwohl, wirkt sich dies auch negativ auf den Kunden aus, der dieses Unbehagen spürt und nicht mehr Zeit als unbedingt erforderlich auf der Verkaufsfläche verbringen wird", gibt die Innenarchitektin zu bedenken. Unter unergonomisch gestalteten Büroarbeitsplätzen leide letztendlich auch die Effizienz der Mitarbeiter und die Qualität der Arbeit.
,,Nur wenn ergonomische Prinzipien eingehalten werden, kann eine optimale Arbeitsleistung erbracht werden, findet auch Hans-Joachim Fischer (Fischer Consulting Achern). "Eine ungünstige Haltung bei der Arbeit führt zu Verspannungen der Muskulatur und dadurch sind Arbeitsausfälle vorprogrammiert.
Arbeitsplätze sollten so beschaffen sein, dass eine aufrechte Haltung möglich ist, im Stehen wie auch im Sitzen". Grundsätzlich erfahre die Welt der Büroarbeitsplätze aktuell eine Transformation, so Elke Park. Relaxzonen und Co-Working Areas rücken immer mehr in den Fokus. Auch habe Covid-19 massiv zur Veränderung der Arbeitswelt beigetragen und dabei nicht zuletzt die Frage aufgeworfen, was bei einem Homeoffice-Arbeitsplatz im Sinne der Ergonomie zu beachten ist.

Fehlerquellen vermeiden und korrigieren

Dabei ist die Bedeutung ergonomisch gut ausgestatteter Arbeitsplätze für Zufriedenheit und Wohlbefinden noch längst nicht in jedem Betrieb angekommen. Hans-Joachim Fischer macht zum Beispiel immer wieder die Erfahrung, dass bei der Planung und Beratung konkret auf die Bedeutung der Ergonomie hingewiesen werden muss. Ohne direkte Ansprache werde dieses Thema oft gar nicht richtig wahrgenommen.
Unergonomisch eingerichtete Arbeitsplätze und sogar potenzielle Verletzungsquellen hat auch Elke Park schon oft gesehen. Zum Beispiel beobachtet sie, dass Mitarbeiter Kunden auf der Ladenfläche nicht richtig beraten können, weil Kartons und Ware den Raum blockieren oder das Mobiliar ohne Konzept eingestellt wurde. Auch die Gestaltung der Kassentheke lasse teils zu wünschen übrig, sowohl in der Front, aber auch auf der rückwärtigen Möbelseite. ,,Dabei werden oft Arbeitsabäufe nicht berücksichtigt", so Elke Park. Weitere Fehler, die sie immer wieder sieht: In den Büros werden die Mindestabstände zwischen den Arbeitstischen nicht gewährt, alles stehe zu dicht gedrängt. Auch in der Werkstatt beobachtet die Innenarchitektin immer wieder, dass der Platz für die Anzahl der Mitarbeiter knapp bemessen ist und es damit im Raum zu eng ist. Dazu kommen Klebearbeitsplätze, die mittels Eigenkonstruktion entlüftet werden, oder zu wenig Platz rund um eine Trichterfräse: ,,Ein absolutes No-Go", findet Elke Park. Zu wenig Licht auf der Ladenfläche sei im Vergleich dazu zwar weniger eine Gefahrenquelle, mache aber wenig Sinn für den Verkauf der Produkte.
„Deshalb sind Planungen zu Innenraumkonzepten wichtig, um Fehlerquellen bereits im Ansatz zu vermeiden", sagt Elke Park. Bei einer Neuplanung, ob Umbau oder komplettem Neubau, empfiehlt sie, den Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand abzugleichen und die Lösungsansätze zur ergonomischen Optimierung direkt umzusetzen. Möglichkeiten der Korrektur gebe es natürlich auch im Nachhinein noch - auch bei bestehenden Betrieben seien Verbesserungen möglich.

Ergonomie am Arbeitsplatz: Worauf ist zu achten?

• Ladenfläche: Licht, Klima, themenorientierte Warenpräsentation, richtige Abgreifhöhen, Nahreserve.

• Werkstatt: Licht, Lüftung, Sicherheit, korrekte Arbeitshöhen an den Maschinen und Werkbänken, Werkzeug in Greifhöhe.

• Verwaltung: Licht, perfekte Höhen hinsichtlich Arbeitsplatzrichtlinien, Bewegungs- und Kommunikationszonen: Arbeiten im Sitzen und Stehen.

• Logistik: gefahrenfreies Handling mit Lagermaschinen wie Stapler etc., Abstandsregeln der Regalierung.
Quelle: Parkraum

Möbel ohne Ecken verringern Verletzungsgefahr 

Optimale Schreibtischhöhe im Sitzen und im Stehen.

Worauf kommt es in den einzelnen Bereichen nun aber an, wie können sie unter ergonomischen Gesichtspunkten richtig gestaltet werden? Dabei sind einige Punkte zu beachten: Zum Beispiel sollten sich Produkte im Bereich der Ladenfläche auf einer für den Mitarbeiter bequem erreichbaren Höhe befinden und Beratungsinseln Diskretion gegenüber anderen Kunden ermöglichen. Die Präsentation des Produktes sollte für den Mitarbeiter möglich sein, ohne hektisch auf der Verkaufsfläche hin- und herlaufen zu müssen. Möbel ohne Ecken sind optimal, um Verletzungen auszuschließen, schlägt Elke Park vor. Auch zu tiefe Regalfachböden seien zu vermeiden. Die Beleuchtung spielt eine übergeordnete Rolle: außer der Basisbeleuchtung sollte eine Effektbeleuchtung die Aufmerksamkeit auf die Waren lenken. Das schaffe Orientierung für die Kunden.

Ergonomie im Detail: abgerundete Regalfachböden sind nicht die Regel.
Betrieb: Sanitätshaus Göldner, Eggenfelden
Planung und Konzeption: Parkraum/Foto: Bettina Matthiessen

In der Kabine sollte die Anprobe und Beratung auf einem etwa kniehohen Podest erfolgen, so dass sich der Mitarbeiter nicht ständig beim Scannen Richtung Boden bücken muss, erläutert Elke Park. ,,Der Kunde könnte sonst schnell das Gefühl haben, dass die Position für den Mitarbeiter unbequem ist". Kleine Aspekte mit großer Wirkung erzielen auch Faktoren wie Raumtemperatur und Raumlüftung. Hier müssten Kriterien der Arbeitsstättenrichtlinien beachtet werden. ,,Selbstverständlich kann in einem 30 Grad warmen Raum keine Anprobe von Kompressionsstrümpfen stattfinden", so Elke Park. Grundsätzlich sei zu beachten, dass der Weg eines Produktes - zum Beispiel wenn eine Einlage zur schnellen Korrektur in die Werkstatt gebracht wird - nicht allzu weit sein sollte.

Höhe der Schleifmaschinen als Fehlerquelle

Schnelles Handling sei im Werkstattbereich ohnehin gefragt: Werkstattgegenstände sollten sich deshalb in optimaler Abgreifhöhe befinden. ,,Der Kunde wartet schließlich", gibt Elke Park zu bedenken. Dort, in der „Schmiede der Qualität", dürfe es nicht zu warm, zu kalt oder zu geruchsintensiv sein, eine Lüftungs- und Staubabsauganlage sei obligat.
,,Wichtig ist auch die Höhe der Schleifmaschinen", findet Hans-Joachim Fischer. Diese sollten nach Möglichkeit höhenverstellbar sein und über vorprogrammierbare Schaltungen für jeden Mitarbeiter individuell eingerichtet werden können. ,,Gerade hier beobachtet man oft eine stark gebückte Haltung, die im Laufe der Zeit zu Haltungsschäden führt", so Fischer. Bei der ergonomischen Ausstattung eines Betriebes müssen eben auch wirklich alle Details und Arbeitsabläufe bedacht werden.