Warum Digitalisierung auf der Fläche an Relevanz gewinnt

„Digi wie?“ Warum Digitalisierung auf der Fläche an Relevanz gewinnt

„Gibt es diese Wärmflasche auch mit hellblauer Hülle?“, hat eine Kundin in einem Sanitätshaus eine Mitarbeiterin gefragt, als ich auf meinen Termin wartete und die Szene beobachtete. Eine hilfsbereite Verkäuferin zeigte ihr auf einem Tablet die weitere Auswahl: Da die Kundin eine spezielle Farbe vor Augen hatte, verlief die Suche erfolgreich – und die gewünschte Wärmflasche mit hellblauer Flauschhülle direkt bestellt.

Die Kundin war sichtbar zufrieden und zeigte im Anschluss ihr Rezept für Kompressionsstrümpfe. Via Tablet hatte die Mitarbeiterin Zugriff auf die Kabinenbelegung, und die nächste freie Anprobe für eine Kompressionskundin wurde ihr angezeigt – rund fünf Minuten Wartezeit. Die Fachberaterin nahm dann die Maße mit Hilfe eines berührungslosen Messsystems. Auf einem Monitor wurde der Kundin der technische Vorgang transparent dargestellt. Die Kontakt- und Kundendaten wurden auf einem elektronischen Maßblatt erfasst. Nach dem Scannen wechselte die Kundin in einen weiteren Anproberaum, sehr diskret durch eine Türe von Anprobe zu Anprobe, ohne die Verkaufszone zu betreten. In dem stimmungsvollen Raum präsentierte das Sanitätshaus Pflegemittel in Regalen. An einem Monitor an der Wand stellte die Mitarbeiterin ihrer Kundin die Farbauswahl und Alternativen der für die Kundin passenden Kompressionsqualität vor. Da die gescannten Körpermaße der Kundin bereits im System vorlagen, wusste die Verkäuferin über ihr Tablet sofort, ob passende Kompressionsstrümpfe zur Anprobe vorliegen und ließ diese parallel aus dem nahen Lager abholen. In der Kabine versorgte sie die Kundin und lenkte deren Interesse auf weitere Farben sowie Pflegeartikel. Über die Rezeptversorgung hinaus bestellte sich die Kundin ein zweites Paar farbenfrohe Strümpfe. Waschmittel und Körpercreme kaufte sie zusätzlich als Mitnahmeartikel. Außerdem entschied sie sich beim Weg zur Kasse für einen Venentrainer aus der Auslage. Die „Silver Agerin“ bezahlte an der Kasse kontaktlos mit ihrem Smartphone. Der reibungslose Zahlungsvorgang der Rezeptabrechnung inklusive der freiverkäuflichen Produkte wurde bereits von der Verkäuferin via Tablet aus der Kabine heraus digital eingeleitet.
Zukunftsmusik oder bereits Realität? Zugegeben: Die Schilderung mischt digitale Prozesse im Sanitätsfachhandel mit Konzepten anderer Branchen. Und es geht noch mehr: angefangen vom Online-Couponing bis zu App-Funktionen. All diese Prozesse sind zeitgemäßer E-Commerce. In Sport- und Fashionshops, aber auch in Baumärkten funktionieren diese Kunden- und Vertriebsprozesse ganz selbstverständlich.
Eine fachkompetente Beratung von Mensch zu Mensch zeichnet die Sanitätshausbranche und ihre Mitarbeiter aus. Haptische Erfahrung und die emotionale Ebene sind enorm wichtig. Aber im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung gewinnen digitale Prozesse auch auf der Verkaufsfläche in den Sanitätshäusern an Bedeutung. Und die Gesundheitsbranche ist so wie kaum ein anderes Marktsegment dazu prädestiniert, die Digitalisierung mit Haptik auf der Ladenfläche zu vereinen. Die Digitalisierung unterstützt damit die Kaufentscheidung der Kunden – nicht mehr und nicht weniger!
Zu den Kunden gehören Best Ager, junge Menschen, Kinder, Sportler: Menschen mit Bedürfnissen für das eigene Wohlbefinden, ob als „Muss oder Kann“. Digitale Einkaufserlebnisse helfen, dass die an moderne Shopping- und Bezahlsysteme gewöhnten Kunden länger auf der Ladenfläche verweilen und bequemer einkaufen können. Am Ende müssen sie das Geschäft mit dem Eindruck verlassen: Hier werde ich gerne wieder einkaufen!

Notwendige Kooperation

Fortnum and Mason, London, Weihnachten 2019: X-Mas Dekoration: Nostalgie meets Digitalisierung – es passt! (Foto: Elke Park, Parkraum)

Unumgängliche Basis dieser Digitalisierungswelt sind ein Warenwirtschaftssystem sowie funktionierende digitale Schnittstellen. Dabei muss die Branche insgesamt kooperieren. Industrie, Fach- und Einkaufsverbände, Versicherungen und Fachplaner sind gleichermaßen aufgerufen, sich ergebnisorientiert einzubringen. Die Innenarchitekten koordinieren die für die Digitalisierung grundlegenden Raumkomponenten wie Technik, Elektrik und Beleuchtung, Materialität und Wegführungen für Kunden und Mitarbeiter.
Die Shopper Journey, die digital unterstützte Vertriebsstruktur auf der Fläche, ist abhängig von der Strategie und dem Innenraumkonzept des Fachbetriebs: Welche Botschaft soll an die Kunden gesandt werden? Medienagenturen kümmern sich dabei um digitale Inhalte. Aber auch die Schnittstelle zum Innenraumdesign muss gestaltet werden: Wo sollen Monitore sinnvollerweise aufgehängt werden? Wie viele? Ein stimmiges Konzept ist entscheidend, damit sich der Kunde auf der Ladenfläche wohlfühlt und „die Einkaufsreise“ durch den Gesundheitsshop genießen kann.
Die Fotos zeigen Beispiele, wie sich digitale Elemente in der Gesundheitsbranche und im Retail Handel bereits etabliert haben. Auch Sanitätshausfachbetriebe sollten von der Symbiose zwischen realer Produktpräsentation und digitaler Welt profitieren: Die Kunden dürfen beim Betretenen eines Sanitätsfachhandels von einem modernem Auftritt überrascht werden! GP