Bühne frei für mutige Architektur

ELKE PARK, DIPL.-ING. UND INNENARCHITEKTIN, PARKRAUM – KONZEPTE UND CONSULTING

In einer neuen Artikel-Serie werden die Orthopädietechnik- und Sanitätshaus-Welt zum Thema „Planen – Umsetzen – Bauen“ aus der Perspektive einer Innenarchitektin betrachtet. Es ist die Sichtweise einer branchenaffinen Fachplanerin mit einer festen Überzeugung: Dieser spezielle Gesundheitsmarkt wird mittelfristig eine der wichtigsten Business-Plattformen sein.

Wussten Sie, dass es ein Haus aus dem 3D-Drucker gibt? Er druckt aus realer Erde und ohne zusätzlich adaptiertem Beton und Spezialmaterial eine Art Iglu-Haus: „Tecla“ heißt es und steht in Ravenna.
Ist Ihnen bekannt, dass es einen Supermarkt gibt, auf dessen Dach Kräuter gezüchtet werden, dessen spezielle Lichtsteuerungs-Technik Energie einspart, und der darüber hinaus noch eine hauseigene Fischzucht aufweist? Es sind genau diese gebauten Konzepte, die uns in den nächsten Jahren begleiten und motivieren sollten, es gleich zu tun. 

Innovation versus Tradition

Wohin fährt der Zug in unserem speziellen Gesundheitsmarkt? Welche Chancen gibt es für die Zukunft in dieser Branche?
Wir wissen, dass sich der gängige Handel schwer tut, Kunden werben zu müssen, und extrem viel Aufwand dafür in Kauf nimmt. Höher, schneller und weiter sollen die Kunden „fliegen“, wenn sie ein Sport- oder Bekleidungsfachhandelsgeschäft betreten. Im Gesundheitsmarkt wiederum gibt es ein wachsendes gesundheitsinteressiertes Kundenpotenzial. Da diese Klientel zunehmend informierter und moderner aufgestellt ist, müssen die Betriebseigentümer im Gesundheitswesen diesem Käuferpotenzial auf gleicher Ebene begegnen und die gleiche Ansprache finden, um sie abzuholen. Aber wie gelingt einem Firmeninhaber dies heutzutage?

Neues System, neue Werte

Der Generationswechsel schreitet voran. Die Hersteller fordern die Betriebseigentümer in vielerlei Hinsicht, die Ideen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden plötzlich im Betrieb integriert, der Geschäftsführer gönnt sich einen freien Tag in der Woche, der eine oder andere setzt auf Homeoffice.
Entsprechend diesen neuen Entwicklungen muss der Betrieb geführt werden, und es gilt, die Räumlichkeiten den veränderten Betriebsabläufen anzupassen. Fortschritt bedeutet Veränderung, und genau diese positive Ausrichtung wird in einen räumlich gebauten Kontext transferiert.



Positive und ausdrucksstarke Architektur in der Gesundheitsbranche ist auf dem Vormarsch. Sie signalisiert ein neues Selbstbewusstsein. Foto: Bettina Matthiessen

„Sani“ wie?

Der Wandel geht so weit, dass die Gestaltung an der Basis beginnt. Wird es in Zukunft noch dem Name nach ein Sanitätshaus geben? Oder wird man sich eher an Begriffen wie „Gesundheitshaus“, „Vitalcenter“ oder „Shop of Health“ orientieren?
Letztendlich sind es die Kompetenzen des Hauses, die in der Außendarstellug stärker wahrgenommen werden müssen. Dieses Know-how eines Betriebes lenkt zunehmend die betriebseigenen Strategien, ob mehr Reha, mehr Kompression/Bandagen & Co. oder mehr Orthopädie den Schwerpunkt bildet.
Exakt diese Aussagen definieren ein Raumprogramm, und Architekten sowie Innenarchitekten setzen dieses in ein Planungskonzept um. Der Wunschzettel zu Um- und Neubauten ist oft lang, doch das Flächenvolumen setzt die Grenzen. Wo beginnen und wo reduzieren? Die komplexen Strukturen eines Gesundheitsbetriebes umfassen u. a. auch Logistik, Werkstätten, Verwaltung, Behandlungs- und Untersuchungskabinen sowie Verkaufsflächen. Wie und wer findet sich in diesem Anforderungs-Dschungel zurecht? Schauen wir doch einmal auf den Retail- und Sportfachhandel: Vom Echtwellengang bis zur realen Kletterwand werden Erlebniswelten geschaffen, die zutiefst beeindrucken. Warum funktioniert auf diesen Flächen der Verkauf koordiniert mit Kundeninteresse?

Konzepte generieren Erfolg

Das erfolgreiche Sporthaus ist nicht aus vagen Traumvorstellungen und der Einstellung „Mach-ich-mal-einen-Plan“ entstanden. Der Weg ist das Ziel. Die damit verbundenen wichtigen Prozesse innerhalb eines Betriebes der Gesundheitsbranche kann lediglich ein Insider kennen: eine Fachplanerin bzw. ein Fachplaner für Gebäudestruktur und Innenraumdesign.
Um Position und Abfolge der wichtigen Raumeinheiten zu planen, bedarf es viel technischen Know-hows hinsichtlich Lagerware, der eingesetzten unterschiedlichen Maschinen, der Verwaltung bis hin zur – falls gewünscht – hauseigenen Akademie. Hinzu gesellen sich als besondere Herausforderung die Gestaltung der Kabinen und des Showrooms sowie der Ladenfläche an sich.
Zu dieser Fachplanungskompetenz in puncto Architektur und Innenarchitektur gesellen sich technische Fachingenieure wie Elektrofachplaner und HLS-Ingenieure sowie Heizungs-, Lüftungs-, und Sanitär-Ingenieure. Das hört sich alles sehr überdimensioniert und aufgebauscht an. Den Bauwilligen muss aber immer wieder klar vor Augen geführt werden, dass alle diese Fachplaner nötig sind. Oft ist es nämlich so, dass so mancher Eigentümer sich die Kosten für die eine oder andere Fachplanung sparen oder sie gar selbst übernehmen will. Am Ende stehen dann oft noch höhere Kosten …
„Warum fühle ich mich als Kunde im aktuellen Behandlungsvorgang so wohl? Das Raumklima ist angenehm, nicht zu warm, lichtdurchflutet. Via Monitor wird mir gerade das Produkt erklärt. Die Stimme der Fachverkäuferin ist angenehm.“ Das ist der Idealzustand. Und das funktioniert nur, wenn der gebaute Raum auf einem schlüssigen Planungskonzept fußt.



In Gesundheits-Shops eher noch die Ausnahme: Raum-in-Raum-Ideen. Foto: Visplay GmbH

Visionen von morgen

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang zudem, welches neue Leitbild ein Betrieb kommunizieren will. Auch hier kann ein Fachplaner wichtige Impulse geben, um dem Betrieb ein wegweisendes und fortschrittliches Image zu geben. Beispielhaft genannt seien hier Punkte wie Click & Collect, Lift & Learn (besondere Art des interaktiven Digital Signage), Online-Terminplanung, das Handwerk auf der Verkaufsfläche, DHL-Paketshop auf dem eigenen Kundenparkplatz oder Drive-in.

Der neue Auftritt

Gesundheit gepaart mit Erlebnis. Das erwarten immer mehr Kunden im Sanitätshaus.

Sehen die Betriebsverantwortlichen den großen Vorteil fürs Unternehmen beim eher jüngeren und sportlich orientierten Publikum oder eher beim mobilen Silver Ager? Grundsätzlich sind alle willkommen in einem Gesundheits-Shop, der einen großen Blumenstrauß an zusätzlichen Produkten über das Rezept als „Eintrittskarte“ hinaus anbietet.
Diese Branche muss sich für ein neues Kundenverständnis öffnen und neue Wege in der Außendarstellung mit Blick auf eine sich transformierende Gesellschaft gehen. Es gilt, die vorhandenen Kompetenzen für die Kunden sichtbarer und spürbarer darzustellen. Begleitet von den richtigen Fachplanern werden die Visionen von Bauherren erst sinnvoll und durch Planungskonzepte realisierbar.

© MTD-Verlag Amtzell; veröffentlicht in Ausgabe 7/21 der Fachzeitschrift MTD. www.mtd.de