Kompetenzen sichtbar machen

Die OrthopĂ€die-Technik ist ein so vielfĂ€ltiges Fach, dass den meisten Menschen, die erstmals in einem SanitĂ€tshaus sind, gar nicht klar ist, wie groß die Bandbreite an Versorgungsmöglichkeiten ist.

Aber wie können die Betriebe die eigenen Kompetenzen besser in den Mittelpunkt rĂŒcken? Zum Beispiel, in dem sie ihre Werkzeuge, MessgerĂ€te und Angebote besser sichtbar machen. Statt hinter Mauern und abseits der Blicke der Kund:innen ein fast unsichtbares Dasein zu fristen, mĂŒssen OrthopĂ€dietechniker:innen und ihr Können, gepaart mit modernster Technik zum Beispiel durch mehr glĂ€serne Elemente sichtbar gemacht werden. Dipl.-Ing. Elke Park, Inhaberin PlanungsbĂŒro Parkraum, sammelt seit vielen Jahren Erfahrungen in der Gestaltung von SanitĂ€tshĂ€usern und in der Architektur von Fachbetrieben und prĂ€gt mit ihren Ideen und Umsetzungen das Bild von OT-Betrieben entscheidend mit. Im GesprĂ€ch mit der OT-Redaktion verrĂ€t sie, warum es wichtig ist die Arbeit der Gestaltung in fachkundige HĂ€nde zu legen und wie der Bedarf bei Kund:innen geweckt wird.

Das SanitÀtshaus Vital in Hilden hat eine Showkabine in ihr Raumkonzept integriert. Foto: Heribert Boernichen

OT: Frau Park, die WerkstĂ€tten in den OT-Betrieben werden immer moderner. Wie wichtig ist es, diese Entwicklung auch fĂŒr die Patient:innen erlebbar zu machen?

Elke Park: Unsere Gesellschaft hat sich gewandelt und frĂŒher oft tabuisierte Themen werden sichtbarer. Die Menschen entwickeln sich weiter und erheben einen Anspruch auf Transparenz. Was gibt es aus Sicht des Versorgers denn Besseres, wenn mein Kunde Interesse an seiner Versorgung hat? Das bindet einen Kunden viel mehr an „seinen“ Betrieb und schafft eine Begegnung auf Augenhöhe. Wenn ich als Kunde die FlĂ€che eines Betriebes betrete, so frage ich mich, wo erkenne ich diese VersorgungsqualitĂ€t? Ich bin Diplomingenieurin und habe deshalb eine starke AffinitĂ€t zur Technik. Ich bedauere und vermisse es zunehmend, dass die Sichtbarkeit dieser Technik und modernen Entwicklung der Versorgung des Menschen so gering ist. Moderne Laufanalysen, Werkstattmaschinen, die zeigen wie eine Einlage geschliffen oder „meine“ Prothese korrigiert wird – das sind die Dinge, die mir als Kundin wichtig wĂ€ren zu sehen. Es ist sehr relevant, dass die Branche die Chance wahrnimmt, die Kompetenz und das Handwerk gleichermaßen sichtbar und erlebbar fĂŒr die Kunden darzustellen.

OT: Welche Möglichkeiten haben Betriebsinhaber:innen, um ihren Betrieb entsprechend zu gestalten?

Park: Heutzutage sind den Ideen der Gestaltung eigentlich keine Grenzen gesetzt. Inspiriert werden wir Innenarchitekten und Architekten durch die Innovationen der Branche. Wir hören uns an, welche Entwicklungen es gibt und geben wird und beschĂ€ftigen uns mit den Prozessen der Betriebe. Gerade der Einzug der Digitalisierung in die WerkstĂ€tten hat nicht nur das Arbeiten fĂŒr OrthopĂ€dietechniker verĂ€ndert, sondern auch fĂŒr uns. Die Betriebsinhaber wĂŒnschen sich durch mehr Transparenz und NĂ€he als Fachbetrieb wahrgenommen zu werden. Das können wir als Innenarchitekten mit FlĂ€chenkonzepten in der Entwurfsgestaltung realisieren – beispielsweise mit der glĂ€sernen Werkstatt oder der Showkabine. Dabei werden betriebliche Prozesse mit den Ideen der Gestaltung auf eine Handlungsebene gebracht.

OT: Was steckt hinter der Idee, einen Einblick in die Werkstatt zu gewÀhren?

Park: Man kennt es aus dem BĂ€ckerhandwerk. Auf den Monitoren hinter der Theke bekommt der Kunde einen Einblick in die Backstube – darf also hinter die Kulissen schauen. Er sieht also, wie das Produkt – beim BĂ€cker Brötchen oder Brezel – erst in den Ofen geschoben wird und dann frisch zubereitet in der eigenen BrötchentĂŒte landet. Wow! Die Gesundheitshandwerke brauchen sich mit ihren Leistungen nicht zu verstecken. Als Kunde möchte ich sehen, wie mein Versorger bzw. OrthopĂ€dietechniker mit meinem Körper und dem daran angepassten Hilfsmittel umgeht. Aus diversen GrĂŒnden zahle ich einen Aufpreis auf ein Hilfsmittel und möchte doch wissen warum. Wenn ich als Kunde wirklich sehe und erkenne, was sich beispielsweise hinter der Fertigung einer Orthese verbirgt, dann schĂ€tze ich doch umso mehr den Kostenaufwand. Das Vertrauen eines Kunden in den Betrieb steigt und eine Angst vor einer Hilfsmittelversorgung wird in Zuversicht und positive Gewissheit korrigiert.

OT: Wie nehmen die Mitarbeiter:innen im SanitÀtshaus diese Umgestaltung wahr?

Park: Neue Entwicklungen, das sind wir gewohnt, werden nicht sogleich mit einem „Hurra” beantwortet. Vielmehr ist es wichtig, die Mitarbeiter beim Kreieren der Ideen – sprich an der Basis einer Neu- oder Umgestaltung – mit ins Boot zu nehmen. Zu unseren Workshops, die wir zu Beginn einer Planungsphase anbieten, können individuelle Impulse eingebracht werden, die spĂ€ter in der Planung berĂŒcksichtigt werden. Uns Gestaltern obliegt die Aufgabe die WĂŒnsche und Ideen mit möglichst einfachem Handling umzusetzen, sodass der Wow-Effekt nicht nur fĂŒr den Kunden, sondern vor allem fĂŒr den Mitarbeiter gewĂ€hrt ist.

OT: Welche Vorbehalte mussten Sie ausrÀumen bei Inhaber:innen wie Mitarbeiter:innen, als Sie Ihr Konzept vorgestellt haben?

Park: Als ich begann in der Gesundheitsbranche gestalterisch tĂ€tig zu werden, wollte ich das eher negativ behaftete Image eines SanitĂ€tshauses grundlegend verĂ€ndern. Diese Branche hat keine sexy Produkte zum Verkauf zu bieten, aber sie unterstĂŒtzt Menschen in der Verbesserung ihrer LebensqualitĂ€t. Wir versuchen um diese Produkte und die Prozesse herum Raumstrukturen zu erarbeiten, die ein Verkaufserlebnis schaffen, damit sich dieses Image verbessert und die Wahrnehmung der Branche aufpoliert wird. Letztendlich sind wir mitverantwortlich durch unsere Konzepte noch mehr Kunden auf die FlĂ€che und in einen Gesundheitsfachbetrieb zu locken. Das beste Ergebnis entsteht durch das Vertrauen in meine Person und unsere Fachexpertise. Die Begeisterung seitens der GeschĂ€ftsfĂŒhrer besteht in jedem Fall, der Weg zur Umsetzung ist je nach Bausituation abwechslungsreich.

OT: FĂŒr welche Versorgungsbereiche lohnt es sich, den Einblick hinter die Kulissen zu gewĂ€hren?

Park: Im Bereich der Kompression gibt es Mess- und AnalysegerĂ€te, die viel zu schade dafĂŒr sind vor den Blicken der Kunden versteckt zu werden. Warum soll diese hochkarĂ€tige Technik nicht allen Kunden zugĂ€nglich werden? Kommt der Kunde ausschließlich wegen einer Einlagenversorgung in das SanitĂ€tshaus oder benötigt er mehr? Analog dem Sport- oder Bekleidungsfachhandel werden Waren prĂ€sentiert, die Bedarf wecken sollen. Genauso verhĂ€lt es sich im SanitĂ€tshaus: Es mĂŒssen BedĂŒrfnisse beim Kunden geweckt werden. Die Kundenansprache hat sich in jĂŒngster Zeit verĂ€ndert, die Tabuisierung der Hilfsmittelversorgung wird mehr und mehr obsolet. Ich weise darauf hin: Hilfsmittel werden verkauft – punkt. Dieses Thema gilt es mit Verkaufserlebnissen zu „inszenieren“. Den Einblick in die WerkstĂ€tten und Anproben der Kompression oder Bandagenwelt den Kunden erleben zu lassen, ist ein Weg der modernen Sichtbarkeit eines Betriebes und bringt nicht nur bestehende, sondern auch neue Kunden auf eine SanitĂ€tshausflĂ€che.

OT: Welche baulichen Voraussetzungen mĂŒssen geschaffen werden?

Park: Kein bestehender Bau ist gleich, es sind immer neue Situationen, die von uns Planern gelöst werden mĂŒssen. Wichtig ist, dass die GeschĂ€ftsfĂŒhrung Planer wie Innenarchitekten engagiert, die ein Konzept zum Umbau erarbeiten. Denn es spart Geld und Zeit Fachleute ins Boot zu holen. Die GeschĂ€ftsfĂŒhrer haben parallel zu einem Umbau oder zu einer Neugestaltung ihren geschĂ€ftlichen Alltag zu leisten. Einen Anteil dieser Energie noch zusĂ€tzlich als eigener Architekt aufzuwenden, kostet GeschĂ€ftsfĂŒhrern zu viel Zeit. DafĂŒr sind wir Planer ausgebildet. Es lohnt in diese Dienstleistung zu investieren, denn die Themen auf dem Bau mit Materialeinsatz, Lieferthemen und Facharbeiterpotential sind sehr komplex geworden. Wir Innenarchitekten koordinieren alles und kĂŒmmern uns ebenfalls um weitere technische Komponenten der Elektrik sowie Heizungs‑, LĂŒftungs- und SanitĂ€rarbeiten. Somit ist das wichtigste Fundament ein erfahrenes und gut funktionierendes Planungs- sowie Bauteam zu engagieren.

OT: Wo wird das Konzept der Showkabine schon genutzt?

Park: Es geht nicht ausschließlich um eine Showkabine, es geht um Prozesse auf der FlĂ€che, die rĂ€umlich abgebildet werden mĂŒssen und individuell an den Anforderungen der Betriebe angepasst sind. So haben wir beispielsweise zu einem Neubau in Kaarst, SanitĂ€tshaus H&R GmbH, eine Showkabine und eine Showlaufanalyse konzeptioniert, was als Anforderung aus einem Workshop resultierte. Bereits beim Betreten der LadenflĂ€che werden beide ShowflĂ€chen erkennbar und dem Kunden offensichtlich. Die Neugierde der Kunden erfahren die Mitarbeiter positiv und so kann eine frei verkĂ€ufliche Dienstleistung zusĂ€tzlich, ĂŒber das Rezept hinaus, angeboten werden. Ein weiteres Beispiel ist in Hilden ein Betrieb, Vital SanitĂ€tshaus Andreas Wylenzek, wo der Kunde bereits von außen, ohne das GeschĂ€ft betreten zu haben, ein Kompressionsmesssystem erblickt. Die weitere vielversprechende Überraschung erfĂ€hrt der Kunde sogleich beim Eintritt in die VerkaufsflĂ€che: Durch ein großes Sichtfenster wird eine Laufanalyse sichtbar. Diese gesellt sich geschickt konzipiert zu den Themen rund um den Fuß. Bereits der wartende Kunde oder derjenige, der einen Schuh anprobiert, kann sich unmittelbar mit der interessanten Technik auseinandersetzen. Wir haben durch unsere Planungskonzeption in beiden Beispielen versucht, unterschwellig den Kunden wĂ€hrend eines Warenkontaktes zusĂ€tzlich mit weiteren Anreizen in BerĂŒhrung kommen zu lassen!

OT: Welche Erfahrungen berichten Ihnen die SanitÀtshausinhaber:innen?

Park: Eine wesentliche Komponente zu einer Glasfront und Show ist die Digitalisierung eines Betriebes. Wie weit kann ein Betrieb diese digitalen Prozesse und Schnittstellen mit erfĂŒllen? Inwieweit sind die Mitarbeiter darin geschult? In Kaarst bei H&R werden beide ShowflĂ€chen von Mitarbeitern und Kunden gleichermaßen gut angenommen. Es ist noch ein stetig wachsendes Potential, der Neubau ist Mitte 2022 eröffnet worden. Die GeschĂ€ftsfĂŒhrung hat den positiven Nutzen und das Umsatzpotential erkannt und ist im stĂ€ndigen Prozess diese Dienstleistung fĂŒr weitere Hilfsmittel der Kundenversorgung zugĂ€ngig zu machen: z. B. fĂŒr den Einsatz in der Reha, so dass rollstuhlfahrende Kunden ĂŒber diese Analyse fahren können. Gleichwohl im SanitĂ€tshaus Vital Hilden ist die Begeisterung bei der GeschĂ€ftsfĂŒhrung ĂŒber dieses Konzept und Idee groß. Durch wachsende Neugierde unterschiedlicher Kunden, ergeben sich immer wieder Kontakte in zum Beispiel Spotmannschaften oder Firmenkontakte mit Bedarf, ihren Mitarbeitern ein gutes Stehvermögen mit besserem Fußbett zu bieten.

OT: Welche gestalterischen Elemente nutzen Sie aktuell im SanitÀtshaus hÀufig?

Park: Wohin geht der Trend? Wird sich am Trend orientiert? Muss sich am Trend orientiert werden? Zumal gibt es durch Innovationen auf dem Markt der Materialvielfalt und Farbenfrohheit einen großen Fundus. FĂŒr GeschĂ€ftsfĂŒhrer ergibt sich die Frage, was wirklich zeitgemĂ€ĂŸ ist und inwiefern diese Vielfalt fĂŒr sie UnĂŒbersichtlichkeit bedeutet. All diese Fragen werden durch uns Innenarchitekten in der Antwort umfassend erfĂŒllt. Wir wĂ€hlen ihnen aus der Vielzahl von Lösungen die richtige Stilfindung heraus. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Betriebe das Ziel haben, eine Eigenmarke zu kreieren, unverwechselbar zu sein und eine eigenstĂ€ndige Corporate Identity zu erhalten. Ob eine grĂŒne Wand auf der VerkaufsflĂ€che gewĂŒnscht ist, da außerdem das Luftklima gesĂŒnder wird, oder durch hinterleuchtete Großbildaufnahmen eine Alternative gefunden werden soll. Ob ein wirkliches Echtholz in Form von vertikalem Lattenzaun oder horizontal aneinandergereihten dreidimensionaler Struktur dem sterilen Charakter eines SanitĂ€tshauses entgegenwirken darf. Oder ob eine bewusste Farbkombination gefragt ist: Alles muss in Harmonie und zueinander stimmig im gestalterischen Kontext stehen.

OT: Gibt es weitere Ideen, die Sie in einem SanitÀtshaus der Zukunft gerne umsetzen möchten?

Park: Beim Gedanken an ein SanitĂ€tshaus erlebe ich im Alltag leider immer noch ein eher unsicheres Verhalten von meinem GegenĂŒber. Durch gute Konzepte in der Gestaltung und innovativem sowie modernem Erleben und Sichtbarkeit dieser FlĂ€chen, wird sich hoffentlich in zeitnaher Zukunft das Image mehr zur positiven Erscheinung dieser GesundheitshĂ€user Ă€ndern. Das ist meine Message. Ich sehe als Vision einen sehr bunten Blumenstrauß an Chancen, der so sehr vielfĂ€ltig ist, wie es unsere Bauherren sind. Gemeinsam zu Brainstormen und Ideen zu entwickeln, wo die Zukunft eines Betriebes steht, ist eine wichtige Entwicklung fĂŒr den Erfolg. Die QualitĂ€t des FlĂ€chenkonzeptes und gute Innenarchitektur steht an erster Stelle. Ob im Bereich der Technik, die das High-End noch nicht erreicht hat, den Menschen dazu die entsprechenden hilfsmittelversorgenden Raumlösungen anzubieten. Oder vom hybriden Konzept einer SanitĂ€tshausflĂ€che, die eigentlich eine hilfsmittelverkaufende FlĂ€che darstellt, kann diese FlĂ€che fĂŒr einen Kulturevent ebenso flexibel umgestellt werden. Gleichwohl werden innovative und zukunftsfĂ€hige FlĂ€chenkonzepte dieser Gesundheitsbranche besser gelingen, wenn vor allem der Einsatz von digitalen Medien auf der VerkaufsflĂ€che und in der erweiterten LadenflĂ€che, den Anproben, noch mehr angenommen wird: das Digital Signage. Dann wird sich Wesentliches modifizieren: Tradition und Moderne im fortschrittlichen Einklang – dies kann kein weiterer Fachhandel in irgendeiner Branche bieten. Dies ist meine Botschaft, mit mehr Selbstbewusstsein und SouverĂ€nitĂ€t im Sinne des Generationswechsels zu handeln.

Die Fragen stellte Heiko Cordes.

Dieser Artikel ist zuert auf OrthopÀdie Technik erschienen


Wie aus dem SanitÀtshaus eine Erlebniswelt wird

Gleich zu Beginn beim Betreten der „Erlebniswelt SanitĂ€tshaus“ stoßen die Messebesucher:innen auf der OTWorld 2022 auf eine Besonderheit. Denn sie können den Stand durch eine automatische SchiebetĂŒr betreten. Was im ersten Moment Stirnrunzeln auslösen mag, hat durchaus seine Berechtigung, gehört die TĂŒr doch zum Konzept eines modernen SanitĂ€tshauses, das die Erlebniswelt dem Fachpublikum in Leipzig vermitteln will.

Das moderne SanitÀtshaus bietet viele Möglichkeiten der Gestaltungsfreiheit, wie die Erlebniswelt SanitÀtshaus auf der OTWorld 2022 gezeigt hat. Foto: Leipziger Messe / Martin Klindtworth

Diesen speziellen Messeauftritt federfĂŒhrend erarbeitet hat Innenarchitektin Elke Park. Mit UnterstĂŒtzung zahlreicher Partner aus Handel und Industrie ist der Stand, bestehend aus Verkaufsraum und Kabinenbereich, realisiert worden. Bereits vor Durchschreiten besagter SchiebetĂŒr fĂ€llt im „Schaufenster“ das von der Decke hĂ€ngende WarentrĂ€gersystem ins Auge, das einerseits Produkte prĂ€sentiert, aber im gleichen Maße nicht den Blick in den Innenraum blockieren soll. „Es ist wichtig, dass die Sichtbarkeit in ein SanitĂ€tshaus bewahrt bleibt“, erklĂ€rt Park, Inhaberin des PlanungsbĂŒros Parkraum. Nach Betreten der RĂ€umlichkeit bietet sich den Kund:innen zur Orientierung ein weitreichender Blick in die unterschiedlichen Produktbereiche und Themenwelten. Fast schon futurisch anmutende Figurenelemente sind automatisch ein „Hingucker“. Andere EinrichtungsgegenstĂ€nde wie in ein Regal integrierte Hinterleuchten agieren dagegen eher unterschwellig, lassen die Produkte aber wortwörtlich in einem besseren Licht dastehen. WeiterfĂŒhrende Informationen zu einzelnen Hilfsmitteln können bspw. ĂŒber Video-Tutorials kommuniziert werden, deren Ausspielung ĂŒber extra helle Bildschirme erfolgt. In Bezug auf die inhaltliche Gestaltung rĂ€t Elke Park hier aus GrĂŒnden der ZeitintensitĂ€t aber gerade kleinen und mittleren HĂ€usern zu einer UnterstĂŒtzung durch eine professionelle Medienagentur. Ein Servicegewinn an anderer Stelle ist der interaktive Touchscreen zur modularen Zusammenstellung eines Pflegebetts samt Zubehör. Was u. a. im Auto- oder Möbelhaus bereits weitreichende Anwendung findet, kann vor allem im SanitĂ€tshaus das BedĂŒrfnis der Kund:innen nach individueller Auswahl unterstĂŒtzen. Bei der Auswahl des textilen Bodenbelags im SanitĂ€tshaus ist darauf zu achten, dass sich RollstĂŒhle und Rollatoren hier problemlos steuern bzw. fĂŒhren lassen.

Eine sensible Situation kann ggf. die Kabine darstellen. Je nach Anlass und Hilfsmittel wandeln sich die Kund:innen zu Patient:innen und die Beratung wird zur Behandlung. Dennoch sieht Park auch hier Möglichkeiten der haptischen und digitalen ProduktprĂ€sentation, da die Besucher:innen hier womöglich lĂ€ngere Wartezeiten verbringen. Sie empfiehlt die Verwendung von schaltbarem Glas, um einerseits Einblicke von außen zu gewĂ€hren, aber ebenso bei Benutzung die AnonymitĂ€t der Kund:innen durch transluzente Scheiben zu gewĂ€hrleisten.

Abschließend hat das Musterbeispiel eines modernen SanitĂ€tshauses im Kassenbereich noch eine Besonderheit zu bieten, deren Umsetzung in nicht mehr allzu ferner Zukunft und in Verbindung mit der EinfĂŒhrung des E‑Rezepts Wirklichkeit werden könnte. Dank der fortschreitenden Digitalisierung wird beim Bezahlprozess kein Papier mehr genutzt. Die Erlebniswelt SanitĂ€tshaus zeigt in Leipzig umfassend die Potentiale der Innenraumgestaltung auf und Elke Park fasst prĂ€zise zusammen: „Es geht nicht einfach darum, Möbel auf eine FlĂ€che aufzustellen, vielmehr um sinnvolle FlĂ€chenkonzepte mit Funktion und Design.“

Dieser Artikel ist bei OrthopÀdie Technik erschienen und ist hier online einsehbar.


Care Center - MaßstĂ€be setzen

Ortsbesuch in Bochum, der Heimat von Starlight Express, eines ambitionierten Fußball-Zweitligisten und eines renommierten Schauspielhauses, das regelmĂ€ĂŸig ganz stolz dem bekanntesten Sohn der Stadt, Herbert Grönemeyer, einen ganzen Theaterabend widmet. Bochum ist aber noch vieles mehr, beispielsweise die Zentrale von Care Center Deutschland (CCD), das jahrelang den Titel „Ruhr“ im Namen trug, ehe dieser außerhalb des Umkreises mehr fĂŒr Verwirrung als fĂŒr Verortung sorgte. Das NavigationsgerĂ€t leitet prĂ€zise in ein Gewerbegebiet im Stadtteil Weitmar. Hier hat im vergangenen Herbst das neue Versorgungsflaggschiff seine Pforten geöffnet. Das mit großer Fensterfront umgebene SanitĂ€tshaus empfĂ€ngt die Besucher zunĂ€chst mit einem Mix aus Tradition und Moderne. In Vitrinen finden sich fast schon antike SchriftstĂŒcke und Zeitzeugen der Hilfsmittelversorgung ausgestellt, wĂ€hrend aktuelle Produkte in ein minimalistisches WarentrĂ€gersystem eingebettet sind. Herr des Hauses ist Uwe Brockmann, seit 2012 als GeschĂ€ftsfĂŒhrer fĂŒr CCD tĂ€tig. Unter seiner Ägide hat sich die Anzahl der Mitarbei-ter von knapp unter 70 auf rund 200 vergrĂ¶ĂŸert. Was sich einerseits unter der PrĂ€misse „organisches Wachstum“ er-folgreich anhört, hat mit der Zeit schlichtweg zu rĂ€umli-chen EngpĂ€ssen fĂŒr Firma und Belegschaft gefĂŒhrt.

Eine Handvoll Sattler und Bandagisten

OTM Nils Ingwald hebt hervor, dass die BeschÀftigten des  Care Center Deutschland von Beginn an in die Gestaltung der ArbeitsplÀtze miteingebunden worden sind.
OTM Nils Ingwald hebt hervor, dass die BeschÀftigten des Care Center Deutschland von Beginn an in die Gestaltung der ArbeitsplÀtze miteingebunden worden sind.
Foto: Ottobock

Am 1. November 1918 als OrthopĂ€dische Kunstgliederwerkstatt Bergmannsheil mit fĂŒnf Sattlern und Bandagisten gegrĂŒndet, agierte der Werkstattbetrieb am Standort Bochum von 1924 an bis in die Gegenwart am selben Standort. „Die Leute haben sich gestapelt, obwohl wir bereits BĂŒros in WerkplĂ€tze umgewidmet hatten“, erinnert sich Brockmann an den Beginn seines Engagements. ZunĂ€chst zogen 2015 die Verwaltung sowie die Fachbereiche Homecare und das berufsgenossenschaftliche Versorgungsteam (BVT) Reha- und Medizintechnik nach Bochum-Weitmar. Drei GrundstĂŒcke weiter sollte perspektivisch eine alte Lagerhalle zum Schauplatz fĂŒr SanitĂ€tshaus, Prothetik, Orthetik und OrthopĂ€die-Schuhtechnik umgebaut werden. Doch wĂ€hrend der ersten Planungsphase eröffnete sich plötzlich die Chance, schrĂ€g gegenĂŒber des Verwaltungskomplexes das GelĂ€nde einer alten Autolackiererei zu ĂŒbernehmen und diese komplett abzureißen. „Wir wollten etwas Neues aus dem Boden stampfen und damit auch vor die Entwicklung kommen“, begrĂŒndet Brockmann rĂŒckblickend die 2017 getroffene Entscheidung. Dass bis zum Einzug fast vier Jahre vergehen sollten, nicht zuletzt, weil die Stadt Bochum auf Sondierungsbohrungen nach BlindgĂ€ngern aus dem 2. Weltkrieg bestand, war seinerzeit noch nicht absehbar. Was hingegen klar war, war der Entschluss, die Belegschaft von Anfang an in die Planungen miteinzubeziehen. „Durch die Möglichkeit der Mitsprache haben wir viel erreicht“, betont OTM Nils Ingwald, Stellvertretender Leiter der Prothetik-Abteilung bei CCD. Er legte mit seinen Kolleginnen und Kollegen einen besonderen Schwerpunkt auf die Entwicklung der Fertigungsstraße von den Silikon-, Gips- und GießharzrĂ€umen bis hin zum Ganganalyse-Bereich, um die Arbeitsprozesse im Betrieb zu vereinfachen.

Know-how von außen

Externe UnterstĂŒtzung zur Realisierung des Neubaus ĂŒber zwei Etagen und 2500 qm NutzflĂ€che holte sich das Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen. „Zum einen haben wir eine Innenarchitektin gesucht, die nicht nur schön kann, sondern auch funktional“, benennt Uwe Brockmann ein entscheidendes Kriterium. Die Wahl fiel schließlich auf Parkraum – Konzepte & Consulting aus Stuttgart. Inhaberin Dipl.-Ing. Elke Park verfĂŒgt ĂŒber ein ausgeprĂ€gtes Branchenwissen und entsprechendes Renommee (s. Interview). Die Neugestaltung einer CCD-Filiale in Witten verbuchten beide Seiten als erfolgreiches Pilotprojekt, um sich anschließend dem Architekturkonzept des Neubaus zuzuwenden. „Wir mussten viele verschiedene Faktoren bei der Planung beachten. Vom Workflow der Mitarbeiter ĂŒber die GrĂ¶ĂŸe der Showroom-FlĂ€che bis hin zu Kabinengestaltung und SeminarrĂ€umen. Zwischendurch haben wir uns schon gefragt, ob ĂŒberhaupt alles reinpasst“, erinnert sich Park an den mitunter komplizierten Entwicklungsprozess.

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Parallel dazu verfolgte GeschĂ€ftsfĂŒhrer Brockmann das Ziel, eine „Werkstatt aus einer Hand“ aufzubauen: „Der Anspruch war es, zukĂŒnftig einen Ansprechpartner fĂŒr den gesamten Maschinenpark zu haben. Das können nur wenige Anbieter leisten.“ Letztlich bekam der Industrieprimus Ottobock den Zuschlag, die Arbeitsbereiche mit den neuesten Maschinen auszustatten und darĂŒber hinaus entsprechend zu warten. Bei der Ortsbegehung in Bochum zusammen mit Uwe Brockmann, Nils Ingwald und Prokuristin Renata Grenda wird deutlich, dass die Firma zwar glĂŒcklich ĂŒber moderne CAD/CAM-Technik und 3D-Drucker ist, auch auf die Höhenverstellbarkeit aller ArbeitsplĂ€tze wird hingewiesen, aber der besondere Stolz wird etwas ĂŒberraschend der neuen zentralen Be- und EntlĂŒftungsanlage zuteil. „Ein gesundes Arbeiten ist das A und O. Hier wollen wir MaßstĂ€be setzen, was die Branche angeht“, betont GeschĂ€ftsfĂŒhrer Brockmann und verweist konkret auf Filteranlagen und Temperaturregulierung.

Zentrum fĂŒr Technische OrthopĂ€die

Die neu gewonnenen Rahmenbedingungen in Bochum-Weitmar will er nutzen, um die Versorgungsleistungen fĂŒr Patienten und Kunden breiter aufzustellen, zum Beispiel mit einem eigenen Physiotherapieangebot. Ein Seminarraum bietet die Möglichkeiten, ein erweitertes Fort- und Weiterbildungsangebot mit Industriepartnern anzubieten, von dem zum einen die eigene Belegschaft, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer HĂ€user profitieren sollen. „Wir schließen niemanden aus“, bekrĂ€ftigt Uwe Brockmann und sieht sich mit dem neuen Standort dem klassischen OT-Betrieb ein StĂŒck weit entwachsen: „Wir sind jetzt ein Zentrum fĂŒr Technische OrthopĂ€die und nicht mehr nur orthopĂ€dietechnische Werkstatt.“

Ein modernes WarentrĂ€gersystem begrĂŒĂŸt die Besucher am Standort Bochum-Weitmar.
Foto: Care Center Deutschland

Elke Park, Inhaberin von Parkraum – Konzepte & Consulting, war als verantwortliche Innenarchitektin maßgeblich an der Konzeption der neuen Versorgungszentrale von Care Center Deutschland beteiligt. Im Interview schildert sie die besonderen Herausforderungen und hebt die Möglichkeiten der Digitalisierung im Beratungs- und Verkaufsumfeld hervor.

OT: Frau Park, was waren fĂŒr Sie die besonderen Herausforderungen beim Neubau von Care Center Deutschland?
Elke Park: Ein Gesundheitshaus, das die Kompetenz der OrthopĂ€die-Technik und OrthopĂ€die-Schuhtechnik durch ein neues GebĂ€ude darstellen möchte, ist hauptsĂ€chlich durch einen großen Anforderungskatalog fĂŒr die FlĂ€chenplanung ein komplexes Projekt. Wir von Parkraum haben in der Vergangenheit bereits die FĂ€higkeit bewiesen, dass wir orthopĂ€dische WerkstĂ€tten, die Verwaltung sowie die Logistik als allumfassendes Planungskonzept darstellen können. Zudem lebt eine Architektur noch von der strukturierten HĂŒlle, der von uns konzipierten Fassade. Dies war eine große Herausforderung, der wir uns mit einem großen Vertrauen der Bauherren in unsere Leistung gerne gestellt haben.

OT: Mit welchen Mitteln lÀsst sich grundsÀtzlich die Distanz zwischen Versorgungsbereich und Verkaufsraum reduzieren?
Park: Alles beginnt damit, dass einem durchdachten Farb- und Materialkonzept bei der Raumplanung eine grĂ¶ĂŸe-re Rolle zugeteilt wird als bisher oft ĂŒblich. Dieses Farb-konzept zieht sich durch viele Bereiche in einem Betrieb – vom Verkaufsraum bis zur intimeren Beratungskabine. Farben beeinflussen bereits beim Eintreffen von Kunden und Patienten schon vor der Versorgung das persönliche Empfinden und schaffen eine emotionale NĂ€he. Materialien bestimmen z. B. die Raumakustik, die einen nicht zu unterschĂ€tzenden Einfluss auf das WohlfĂŒhlen des Kunden hat. Wir stellen außerdem fest, dass im Prozess von der Beratung bis zum Verkauf an unterschiedlichen Standorten eines Betriebs wie etwa im Kundendatenma-nagement vermehrt die Digitalisierung Einzug hĂ€lt. Die Zeitersparnis lĂ€sst sich vor Ort in einer Kaffee- und Kommunikationszone zwischen Umkleidekabinen und Kassenbereich erleben – der Kunde erhĂ€lt bereits vor der Versorgung Informationen und ist zur eigentlichen Behandlung viel aufgeklĂ€rter.

OT: Welchen Mehrwert bietet die Digitalisierung fĂŒr Betrieb und Kunden?
Park: Smarte WegfĂŒhrungen verringern die zurĂŒckzulegenden Strecken fĂŒr Kunden auf der VerkaufsflĂ€che und optimieren den Beratungsvorgang durch den Mitarbeiter. Die PrĂ€sentation von physischen Produkten kann durch die Hinzunahme von Tablets oder die Kommunikation ĂŒber Monitore ergĂ€nzt werden. Video-Laufanalysen oder moderne Scan-Techniken sorgen fĂŒr Ergebnisse in Echtzeit: Die digitale Aufnahme der Kundendaten ermöglicht einen Überblick fĂŒr den Mitarbeiter ĂŒber den Kunden und welcher Bedarf bei diesem noch notwendig werden kann. Die AblĂ€ufe, die ein Kunde im SanitĂ€tshaus erlebt, sollten zu einer effizienteren Beratung mit Zeitersparnissen und/oder ZusatzkĂ€ufen fĂŒhren. Am Ende steigert das Unternehmen seine UmsĂ€tze und der Kunde geht mit einem guten GefĂŒhl nach Hause.

OT: Wo hÀlt der technologische Fortschritt noch Einzug?
Park:
Die sinnvolle Einbettung digitaler Schnittstellen in die BetriebsablĂ€ufe stellt fĂŒr alle eine große KomplexitĂ€t dar. Das bloße Bereitstellen von Monitoren ist nicht die Lösung. Als SanitĂ€tshaus muss ich mir sorgfĂ€ltig Gedanken ĂŒber sinnvolle Inhalte machen, die den Kunden prĂ€sentiert werden. Denken wir einen Schritt weiter, reichen wir dem Besucher ein Tablet, auf dem er eine Übersicht ĂŒber seine persönlichen Angaben, die erfolgten Besuche und gekauften Produkte erhĂ€lt und VorschlĂ€ge, welche Hilfsmittel ihm womöglich einen Mehrwert fĂŒr seine Gesundheit bieten können. Oder der Kunde kann nach eingehender Beratung das nicht vorrĂ€tige Produkt im SanitĂ€tshaus direkt selbst bestellen. Vieles ist denkbar und möglich. Wenn der Besuch eines SanitĂ€tshauses mit einem Erlebnisfaktor versehen wird, steigert sich die Kundenzufriedenheit und damit die Kundenbindung.

OT: LÀsst sich der Kundenbesuch vielleicht sogar digital in die Werkstatt verlÀngern?
Park:
Die TÀtigkeiten in der Werkstatt können direkt via Monitor in die Wartekabine eingespielt werden. Dieses Live-Erlebnis schafft eine emotionale Bindung zum eigenen Produkt, extremes Vertrauen in das Gesundheitshaus und verbessert damit die Compliance.


OT World 06/18

Zukunftsforum Fachhandel

„Digital denken und analog handeln“

Stichworte wie Digitalisierung, Storytelling und multisensorische Ansprache fallen auch im Interview mit Elke Park. Die Diplom-Ingenieurin und Innenarchitektin gestaltete mit ihrem „Parkraum“-Team federfĂŒhrend den Ladenbaupavillon fĂŒr den SanitĂ€tsfachhandel auf der OTWorld 2018.

Elke Park fĂŒhrt die Integration hapti-scher Erlebnisse in die WarenprĂ€sen-tation im Laden-pavillon vor. Foto: Ruth Justen

Ganzheitliches Erlebnis im SanitÀtshandel

OT: Frau Park, der Ladenbaupavillon steht unter der Überschrift „Digitalisierung im Gesundheits-Fachhandel“. Inwiefern ist die Integration digitaler Elemente dort sinnvoll?
Dipl.-Ing. Elke Park: Digitale Elemente sind dann sinnvoll, wenn sie Kunden und Personal gleichermaßen einen Mehrwert bieten. Aber natĂŒrlich mĂŒssen sie in das Gesamtkonzept einer Entwurfsgestaltung eingepasst werden.

OT: Wie haben Sie digitale Elemente konkret im Ladenbaupavillon integriert?
Park: ZunĂ€chst wurde die Basisidee der Verbindung der haptischen Warenwelt mit den digitalen Verkaufsmedien von mir entwickelt. Danach haben wir zahlreiche Unternehmen in die Konzeption des Pavillons einbezogen. Die Gestaltung eines Ladenbaus ist immer eine gemeinsame Leistung, die von einer leitenden Disziplin – der Innenarchitektur – ausgeht. Insofern ist diese Herangehensweise an den Messestand auch typisch fĂŒr unsere alltĂ€gliche Arbeitsweise. Denn die Kunst des Ladenbaus besteht darin, die authentische Marke des SanitĂ€tshauses mit den BedĂŒrfnissen der Kunden und dem Markenimage der angebotenen Waren in Einklang zu bringen. Um eine innovative Ladengestaltung zur OTWorld zu prĂ€sentieren, waren daher viele Spezialisten nötig. Gemeinsam haben wir das Konzept fĂŒr den Ladenbaupavillon unter dem Leitspruch „Show-Store-Room“ erarbeitet – ĂŒbertragen erlĂ€utert: Erlebnis-Verkauf-Service.

OT: Was verbirgt sich hinter diesen drei Begriffen? Inwiefern stehen sie fĂŒr die Zukunft des SanitĂ€tshandels?
Park: Unter dem Wort „Show“ verstehen wir im Zusammenhang mit dem Ladenbau den Mehrwert, das Erlebnis, das der Kunde mit nach Hause nimmt. Dieser Faktor, der sogenannte Show-Faktor, bestimmt maßgeblich den WohlfĂŒhlcharakter des Kunden und steigert so seine Verweildauer im Laden. Der Begriff „Store“, also die gesamte LadenflĂ€che inklusive VerkaufsflĂ€che, hĂ€ngt eng mit dem Thema „Storytelling“ zusammen. Wir erzĂ€hlen mit Hilfe der analogen und digitalen Gestaltungselemente Geschichten zur jeweiligen Ware oder Warengruppe. Die UnterstĂŒtzung der digitalen Medien im Zusammenhang mit dieser Branche bietet ein umfassendes Spektrum an Ideen zum Einsatz weiterer „Kurzgeschichten“. Schließlich steht „Room“ fĂŒr die verlĂ€ngerte RegalflĂ€che, die Anprobe oder den Kabinenraum. Wichtig: Die gesamte FlĂ€che inklusive der Kabinen ist freundlich und hell gestaltet. So vermittelt die Ladengestaltung den Kunden das GefĂŒhl: „Du bist willkommen!“ Vor allem aber sorgt sie dafĂŒr, dass das Krankheitsbild in den Hintergrund rĂŒckt. ZusĂ€tzlich darf der Service des Hauses Verkaufsimpulse beim Kunden auslösen.

OT: Können Sie uns anhand eines konkreten Beispiels die sinnvolle Verbindung digitaler und analoger Elemente im Ladenbau erlÀutern?
Park: Exemplarisch dafĂŒr steht unsere gemeinsam mit Sporlastic entwickelte Kabine im Ladenbaupavillon. Die Kabine bietet einen intimen RĂŒckzugsort zur Beratung zu Bandagen und Orthesen, denn IntimitĂ€t ist wichtig fĂŒr den Kunden. An einer Wand in der Kabine ist ein Monitor angebracht, den die FachverkĂ€uferin bedient. Sie kann den Kunden ĂŒber den Monitor mit Hintergrundinformationen zu seiner Erkrankung, der entsprechenden Therapie und den passenden Produkten versorgen. Gleichzeitig dient der Bildschirm als Nachschlagewerk, vermittelt der VerkĂ€uferin dadurch noch mehr Sicherheit und unterstĂŒtzt so das GesprĂ€ch. Beide Seiten profitieren davon: Sie erhalten ĂŒber das integrierte digitale Element einen Mehrwert. Ein weiterer Trend sind interaktive digitale Bausteine. In den Produktverpackungen fĂŒr Bandagen und Orthesen von Sporlastic sind zum Beispiel sogenannte QR-Codes integriert. Diese verlinken per Smartphone oder Tablet zu Produktinformationen und angeleiteten TherapieĂŒbungen im Internet. An einer Kabinenwand sind dazu passende TherapiegerĂ€te wie Rollen oder BĂ€nder ausgestellt. Falls der Kunde Bedarf an speziellen GerĂ€ten hat, kann er sie hier gleich testen und kaufen. Neben digitalen Elementen liegt das ganzheitliche, multisensorische Erlebnis im Trend: So erzeugt ein angenehmes Duftaroma in der Kabine unterschwellig eine WohlfĂŒhlatmosphĂ€re. In der Sporlastic-Kabine wird die Haptik zusĂ€tzlich ĂŒber das fĂŒr die Bandagen verwendete 3D-Flachgestrick angesprochen, das eine weitere Innenwand ziert. Alles in allem stellt die Kabine eine gelungene Synthese analoger und digitaler Elemente fĂŒr ein erfolgreiches Marketing des SanitĂ€tshauses der Zukunft dar.

OT: Werden sich Ihre Prognosen fĂŒr eine zeitgemĂ€ĂŸe Selbstdarstellung des Fachhandels am Markt zeitnah und in dieser Konsequenz durchsetzen lassen?
Park: Speziell die Gesundheitsbranche ist geradezu prĂ€destiniert, die so wichtigen haptischen Erlebnisse in Bezug auf die Produkte mit den digitalen Medien zu verknĂŒpfen. Die Gesundheitsbranche sollte sich in Zukunft daher selbstbewusst neben dem alltĂ€glichen Retailhandel – Sport, Damen- und Herrenoberbekleidung sowie jedwede WarengĂŒter – aufstellen. Mit den hier dargestellten digitalen Konzepten wird diese Branche nach meiner Auffassung an AttraktivitĂ€t gewinnen, um zukĂŒnftig noch mehr wahrgenommen zu werden.


Ladenbau in Zeiten der Digitalisierung

AG SanitÀtsfachhandel

Ladenbau in Zeiten der Digitalisierung

Ladengestaltung im SanitÀtshaus Göldner in Eggen-felden. Realisiert von der Helia Ladenbau GmbH. Foto: Bettina Matthiessen, Schaub KG Freiburg

FĂŒr den SanitĂ€tsfachhandel ist die OTWorld alle zwei Jahre der wichtigste Treffpunkt. Beim Weltkongress und der fĂŒhrenden Industriemesse spielen die Themen des Fachhandels daher eine große Rolle. Um möglichst passgenau auf die speziellen Fragestellungen des Handels eingehen zu können, steht den Organisatoren die AG SanitĂ€tsfachhandel zur Seite. Mitglieder dieses beratenden Expertengremiums sind Vertreter der Leistungserbringer, der Veranstalter sowie Hersteller und Dienstleister mit Angeboten fĂŒr den Fachhandel. FĂŒr die kommende OTWorld hat die AG SanitĂ€tsfachhandel drei Programmpunkte erarbeitet: einen Ladenbaupavillon, eine Sonderschau mit dem Titel „Wearables und smarte Textilien“ sowie das „Zukunftsforum SanitĂ€tsfachhandel“.
Unter der Überschrift „Digitalisierung im Gesundheits-Fachhandel“ kombinieren im Ladenbaupavillon verschiedene Aussteller unter FederfĂŒhrung von Elke Park und ihrem Team vom FachplanungsbĂŒro Parkraum das Thema „WarenprĂ€sentation live“ mit digitalen Elementen. „Mit Hilfe von Erlebniswelten können wir im Handel dem Kunden das unverwechselbare GeschĂ€ftsprofil prĂ€sentieren und die Kompetenz des Hauses unterstreichen“, erklĂ€rt Elke Park. „Dabei gilt es, die Kommunikation von haptischen Warenwelten mit digitalen Verkaufsmedien in einer sehr informierten Gesellschaft noch stĂ€rker zu verknĂŒpfen.“ Besucher der OTWorld können sich im Ladenbaupavillon in Messehalle 3 ĂŒber die neuesten Trends im digitalen Zeitalter des Handels informieren. „Ein Besuch sollte fĂŒr Handel, FĂŒhrungskrĂ€fte und Industrie zum Pflichtprogramm der OTWorld gehören“, sagt Elke Park. Ihrer Meinung nach wird die Online- und Offline-Interaktion zwischen Kunde und beratenem Mitarbeiter die Zukunft des Gesundheitsmarktes prĂ€gen. Rund um den Ladenbaupavillon prĂ€sentieren außerdem weitere Anbieter ihre LösungsvorschlĂ€ge fĂŒr die zeitgemĂ€ĂŸe Raumgestaltung von SanitĂ€tsfachhandelsgeschĂ€ften.
Mehr Details zu den Programmpunkten „Zukunftsforum SanitĂ€tsfachhandel“ und „Wearables“ folgen in den folgenden Ausgaben. ■


Zeit zum Handeln

Teil 1: Ein Blick ins Schaufenster

In den kommenden Ausgaben wirft die OT einen besonderen Blick auf den Fachhandel und nimmt die speziellen Gegebenheiten der SanitĂ€tshĂ€user unter die Lupe: von der Kundschaft ĂŒber die Produkte bis hin zur Beratung. Der erste Fokus gilt dabei dem Schaufenster. Welche Bedeutung hat es, welche Funktionen ĂŒbernimmt es und wie lĂ€sst es sich gestalten, solange kein Poster die Sicht auf die Produkte versperrt?

Im Schaufenster prĂ€sentierte Produkte sollen Interesse und Emotionen beim Kunden wecken. Foto: SanitĂ€tshaus Becker & Dreßler

Denn Poster sind ein schlechtes Zeichen. Man sieht sie derzeit hĂ€ufig an EingĂ€ngen von Apotheken oder auch in Schaufenstern von BuchhĂ€ndlern: Poster, auf denen eine Branche mit schmissigen SprĂŒchen ihre Kunden davon zu ĂŒberzeugen versucht, dass sie ihre Kopfschmerztabletten oder Krimis doch bitte nicht bei DocMorris oder Amazon kaufen mögen. An Schaufenstern von SanitĂ€tshĂ€usern finden sich derlei Poster nicht. Noch nicht? Als etwa vor einiger Zeit Rollatoren im Sortiment einer großen Kaufhaus-Kette auftauchten, sorgte dies sogleich fĂŒr Unruhe im SanitĂ€tsfachhandel.
Es gibt Stammkunden, die aus Verbundenheit zum VerkĂ€ufer oder aus Nostalgie – z. B. wegen der Glocke an der EingangstĂŒr – ihr Leben lang ihren Einkaufsgewohnheiten treu bleiben. Die große Mehrheit allerdings setzt andere PrioritĂ€ten: Service und Fachkompetenz der Mitarbeiter, Auswahl der Produkte und vor allem der Preis an der Ladentheke.
Nun ist der SanitĂ€tsfachhandel keine klassische Laufkundschaftsadresse. Dementsprechend ist er in der Regel nicht auf Haupteinkaufsstraßen, sondern insbesondere aufgrund der rezeptpflichtigen Leistungen und Waren verstĂ€rkt in der NĂ€he von KrankenhĂ€usern oder Gesundheitszentren zu finden. „SanitĂ€tshĂ€user sind extrem individuell. Was nĂŒtzt mir ein bodentiefes Schaufenster ohne Laufkundschaft“, betont Daniel Brockschmidt von Brockschmidt Visuals. Der Ladenbaudesigner ist seit fast drei Jahrzehnten u. a. als Gestalter fĂŒr Visuelles Marketing in der Branche tĂ€tig. Er trifft im Zuge seiner AuftrĂ€ge auf gĂ€nzlich verschiedene Typen von Inhabern. Die einen scheuen vor allzu auffĂ€lligen VerĂ€nderungen in der Ladengestaltung zurĂŒck. Sei es aufgrund des eigenen Geschmacks oder fehlender Investitionsbereitschaft. Ebenso gibt es aber auch Firmeninhaber und GeschĂ€ftsfĂŒhrer, die ein offenes Ohr fĂŒr die VorschlĂ€ge von externen Experten haben und bereit sind, Dinge anders anzugehen und neu zu gestalten. Diesen Eindruck bestĂ€tigt Elke Park. Die Innenarchitektin und Inhaberin des FachplanungsbĂŒros Parkraum zĂ€hlt eine Reihe an SanitĂ€tsfachgeschĂ€ften zu ihren Stammkunden. FĂŒr sie ĂŒbernimmt das Schaufenster selbst abseits von Toplagen eine relevante Funktion. „Das Schaufenster gehört zum Visuellen Marketing des Unternehmens. Es sagt aus, was im Laden zu erwarten ist.“
Kleinere und mittelgroße GeschĂ€fte sind in ihrer Produktvielfalt allein schon aus PlatzgrĂŒnden begrenzt. Der Schwerpunkt im GeschĂ€ft sollte daher bereits in der Schaufensterauslage kommuniziert werden. „Es geht darum, den Kunden auf emotionaler Ebene anzusprechen. Eine strukturierte Anordnung, z. B. durch den Einsatz von großflĂ€chigen Fotos oder Grafiken, ist dabei sehr wichtig“, erklĂ€rt Elke Park und verweist auf einen immer wieder begangenen Fehler: „Viele Auslagen sind zu oft ĂŒberladen.“ Daniel Brockschmidt spricht gar von der „Wegrationalisierung des Schaufensters“, um bereits von der Straße aus den Blick auf das Wesentliche, konkret den Verkaufsraum, werfen zu können. Durch eine sinnvolle Platzierung kann es aber auch gelingen, Produkte, z. B. ein ans Fenster gestelltes Pflegebett, als Verbindungselement zwischen Innen- und Außenperspektive einzusetzen.

GefĂŒhl von Kompetenz vermitteln

Gerade HĂ€user in der NĂ€he von FußgĂ€ngerzonen mit einer im Vergleich zu Außenlagen erhöhten Anzahl an Laufkundschaft setzen bei der Produktauswahl gerne auf niedrigschwellige, rezeptfreie Waren. Kaum ein Schaufenster, das in den letzten zwei Jahren nicht Faszienrollen und Thera-BĂ€nder in der Auslage platziert hatte. Wenn innenstadtnahe GeschĂ€fte mehr spontane Kunden anziehen wollen, mĂŒssen gerade sie sich noch mehr Gedanken bei der Schaufenstergestaltung machen. Dies betrifft z. B. den Dekorationswechsel zu den anstehenden Jahreszeiten. Sobald draußen verstĂ€rkt die Sonne scheint, gehören Flip-Flops und Bademode ausgestellt. Etwas anders gestaltet sich die Standortsituation in Außenlagen. Dort rĂ€t Elke Park dazu, verstĂ€rkt zu zeigen, was man an hochwertigen Produkten im Angebot hat. „Wenn Sie einen Rollator ins Schaufenster stellen, dann sollte dies nicht das Kassenmodell sein.“ Selbst moderne Prothesen, die nicht zur Massenware gehören, vermögen – stilbewusst prĂ€sentiert – eine emotionale Wirkung auf den neutralen Betrachter auszuĂŒben und ein GefĂŒhl von Kompetenz und handwerklichem Know-how zu vermitteln.
Bereits der erste Blick, in diesem Fall ins Schaufenster, zeigt, dass es eine Vielzahl von kleineren und grĂ¶ĂŸeren Faktoren gibt, die sich auf die Wahrnehmung von LadengeschĂ€ften auswirken. Jeder Inhaber setzt bei der Gestaltung andere PrioritĂ€ten, sei es aufgrund der Lage seines GeschĂ€fts oder der Auswahl seiner Produkte.

Die OT möchte im Laufe der Serie „Zeit zum Handeln“ nicht nur ĂŒber den SanitĂ€tsfachhandel reden, sondern auch mit ihm: ĂŒber die Platzierung der Waren, die Gestaltung der Kabinen und ĂŒber die Ansprache an den Kunden im GeschĂ€ft sowie im Internet und in den sozialen Netzwerken. Wir freuen uns, wenn Sie uns an Ihren Ideen und Vorstellungen teilhaben lassen. ■

Teil 2: WohlfĂŒhl-Oase SanitĂ€tshaus

In der Mai-Ausgabe der OT haben wir zum Start unserer Sonderserie „Zeit zum Handeln“ einen besonderen Blick ins Schaufenster des SanitĂ€tsfachhandels geworfen. Ein freier Blick ins GeschĂ€ft, eine emotionale und hochwertige Waren-prĂ€sentation und eine saisonale Themengestaltung gehören demnach zu den Empfehlungen fĂŒr ein attraktives und modernes Erscheinungsbild. Im nĂ€chsten Schritt betreten wir nun den Verkaufsraum.

Marco Hammerstein, GeschĂ€ftsfĂŒhrer Vertrieb & Marketing DACH beim Hilfsmittelanbieter DJO Global, wies zuletzt im Rahmen der Expolife-Messe in Kassel darauf hin, dass die Zeiten, in denen der SanitĂ€tsfachhandel relativ entspannt und konkurrenzlos vom Rezepte-GeschĂ€ft gelebt hat, mehr und mehr der Vergangenheit anzugehören scheinen. Die regelmĂ€ĂŸigen Übernahmen von SanitĂ€tshĂ€usern fĂŒhrten z. B. zunĂ€chst zu einer Marktkonzentration und diese wiederum zu einem erhöhten Wettbewerbsdruck unter den Beteiligten. Zudem trĂ€ten verstĂ€rkt externe Wettbewerber auf den Plan. „Der Markt ist groß und attraktiv. Dies weckt das Interesse des Einzelhandels“, erklĂ€rt Hammerstein. Um der Konkurrenz entgegenzuwirken, rĂ€t er dem Fachhandel, sich als „WĂ€chter der Kompetenz“ zu profilieren. Gleichzeitig fordert der GeschĂ€ftsfĂŒhrer die Abkehr vom „Old-Fashion-SanitĂ€tshaus“.

Regale sind kein Lager

„Old Fashion“, also altmodisch, was ist damit konkret gemeint, und wie lĂ€sst sich dem eigenen Verkaufsraum ein modernes Äußeres verpassen? „Nur ein schöner Laden hilft nicht“, betont Ladenbaudesigner Daniel Brockschmidt von Brockschmidt Visuals. Er empfiehlt Inhabern, ihre Waren und Leistungen fokussiert zu prĂ€sentieren. HĂ€ufig seien gerade Regale nicht aufgerĂ€umt und mit Produkten ĂŒberladen oder, noch unansehnlicher, mit Kartons vollgestellt. „Leeren Sie Ihre Regale!“, so Brockschmidts Devise.
Auch an anderer Stelle ist seiner Ansicht nach weniger letztlich mehr: „Die Kasse ist keine geeignete FlĂ€che zur PrĂ€sentation der Produkte. Hier wird der Einkauf am Ende nur noch abgeschlossen.“ Daniel Brockschmidt plĂ€diert im Zweifel fĂŒr eine Reduzierung des Sortiments. Dies könne z. B. dadurch gelingen, dass sich SanitĂ€tshĂ€user in ihrem Angebot auf Kernthemen spezialisieren: „Man sollte sich in diesem Fall darĂŒber klar werden, was die eigene Kernkompetenz ist und an welchen Produktgruppen man selbst am meisten Spaß hat.“
Weniger radikal, aber ebenso sinnvoll sind Überlegungen im Hinblick auf eine optimale Lagerung des Produktsortiments abseits des öffentlichen Verkaufsbereichs. „Bei GesprĂ€chen mit Inhabern frage ich konkret nach der Lagersituation und wie oft der Standort eines Betriebs in der Woche z. B. vom eigenen Zentrallager mit neuer Ware beliefert wird“, beschreibt Innenarchitektin Elke Park ihre Vorgehensweise bei der (Neu-)Gestaltung von GeschĂ€ftsrĂ€umen. Die Inhaberin des FachplanungsbĂŒros Parkraum macht deutlich, dass es ĂŒber die nĂŒchterne Möblierung hinaus einer adĂ€quaten Konzeption bedarf. „Es geht darum, dass sich die angebotenen Produkte sinnvoll anordnen lassen.“ Dabei gelte es, sich in die Kundensicht hineinzuversetzen, wenn dieser den Ladenraum betritt. „Die ersten drei Sekunden sind entscheidend“, hebt Park die Bedeutung des ersten Eindrucks hervor und ergĂ€nzt: „Es ist elementar, eine Struktur und Transparenz erkennen zu lassen.“ Die Bedeutung einer sogleich sichtbaren Ordnung bestĂ€tigt auch Daniel Brockschmidt: „Wenn ich ein SanitĂ€tshaus betrete, versuche ich mich zu fokussieren. Das Auge benötigt Ruhe und einen Impuls.“

„In der Kabine wird verkauft“

Nicht zu vernachlĂ€ssigen ist darĂŒber hinaus die Gestaltung des Kabinenbereichs. In diesem geschĂŒtzten Umfeld steckt mehr Potenzial, als man zunĂ€chst denken mag. „In der Kabine wird verkauft!“, macht Innenarchitektin Park deutlich. Gerade hier ist es daher wichtig, eine WohlfĂŒhlatmosphĂ€re herzustellen. In den in der Regel fensterlosen RĂ€umen kommt der Lichtanordnung eine bedeutsame Rolle zu. Höhenverstellbare Liegen können den Komfort des Kunden verbessern. Vor allem aber sollten im Kabinenbereich Verkaufsprodukte platziert werden. ZunĂ€chst erhalten sie vom Kunden eine erhöhte Aufmerksamkeit, wĂ€hrend er auf die Bedienung durch den VerkĂ€ufer wartet. Anschließend kann der VerkĂ€ufer im Zuge seiner Beratung direkt auf (Zusatz-)Produkte hinweisen. Als ErgĂ€nzung von ProduktprĂ€sentationen kommen Großfotos in Aluminiumspannrahmen oder Monitore in Frage. Wichtig ist, dass der Kunde sich wĂ€hrend der Wartezeit nicht langweilt und ungeduldig wird. Denn dies fĂŒhrt schnell zu einem Verlust des WohlfĂŒhlens, der unmittelbaren Kaufbereitschaft und in letzter Konsequenz gegebenenfalls sogar zu der Entscheidung, beim nĂ€chsten Anlass ein anderes SanitĂ€tshaus aufzusuchen.

Selbstanalyse

Damit dieses Szenario nicht eintritt, analysieren Sie als Inhaber Ihr Sani-tÀtshaus. Sind Ihre Produkte sinnvoll angeordnet? Wie ist Ihr Kabinenbe-reich gestaltet? Selbst kleine Anpas-sungen können positive Auswirkun-gen auf die Wahrnehmung der Kun-den haben.
Bei aller attraktiven Gestaltung der LadenrĂ€ume gibt es fĂŒr Kunden allerdings einen Aspekt, der noch mehr Einfluss auf deren Besuchs-resĂŒmee hat: die freundliche und kompetente Beratung durch die Sa-nitĂ€tshaus-Mitarbeiter. Mehr dazu in der kommenden Ausgabe.

Die OT möchte im Laufe der Serie „Zeit zum Handeln“ nicht nur ĂŒber den SanitĂ€tsfachhandel reden, sondern auch mit ihm: ĂŒber die Platzierung der Waren, die Gestaltung der Kabinen und ĂŒber die Ansprache des Kunden im GeschĂ€ft sowie im Internet und in den sozialen Netzwerken. Wir freuen uns, wenn Sie uns an Ihren Ideen und Vorstellungen teilhaben lassen.

Teil 3: Kundenbindung durch Kompetenz

Auf seinem Weg zum Produkt hat unser imaginĂ€rer SanitĂ€tshauskunde zunĂ€chst – entweder im Vorbeigehen oder mit einem bestimmten Kaufinteresse bzw. einem Rezept – einen Blick ins Schaufenster des SanitĂ€tshauses geworfen. Sodann hat er das Ladenlokal betreten, sich einen Überblick ĂŒber das Produktportfolio verschafft, sich von der Dekoration inspirieren lassen und sich in der Kabine durch interessante Eyecatcher die Wartezeit verkĂŒrzt. Im 3. Teil unserer Serie „Zeit zum Handeln“ kommt es nun zum Kontakt mit dem Mitarbeiter.

Patient, Kunde oder Gast? Der SanitÀts-hausbesucher kann verschiedene Rollen einnehmen. Foto: Martin Klindtworth

Die Rollenbesetzung im SanitĂ€tsfachhandel ist nicht statisch – ein Besucher ist mal Patient, mal Kunde, mal Gast. Ihm gegenĂŒber schlĂŒpft der Mitarbeiter wahl- und wechselweise in die Rolle eines VerkĂ€ufers, eines Beraters und in EinzelfĂ€llen auch in die eines Vertrauten. Julia Kaufmann, GeschĂ€ftsfĂŒhrerin der Marktforschungs- und Beratungsagentur Kaufmann & Kirner, hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass fĂŒr einen zufriedenen SanitĂ€tshausbesucher das Preis-Leistungs-VerhĂ€ltnis bei der Kaufentscheidung zwar von Bedeutung sei. Allerdings habe das Feedback von Kunden gezeigt, dass eine kompetente Beratung kombiniert mit einem freundlichen Auftreten des Mitarbeiters noch grĂ¶ĂŸeren Einfluss auf die Zufriedenheit des Gasts habe. Die in der heutigen Konsumgesellschaft nicht selten gelebte „Geiz-ist-geil“-MentalitĂ€t hat den SanitĂ€tsfachhandel also offenbar noch nicht gĂ€nzlich erfasst. Allerdings sei GeschĂ€ftsinhabern und ihren Mitarbeitern dringend zu empfehlen, eine kaufmĂ€nnischere MentalitĂ€t als in der Vergangenheit zu vertreten.

ZurĂŒckhaltung ablegen

Innenarchitektin Elke Park, die als Inhaberin des FachplanungsbĂŒros Parkraum zahlreiche SanitĂ€tshĂ€user bei der Gestaltung ihrer VerkaufsrĂ€ume berĂ€t, bestĂ€tigt das ihrer Ansicht nach hĂ€ufig zu zurĂŒckhaltende Auftreten des Personals im SanitĂ€tsfachhandel und hat dafĂŒr eine plausible ErklĂ€rung: „FrĂŒher haben viele SanitĂ€tshĂ€user sich als reiner Versorger verstanden. Mitarbeiter besaßen im positiven Sinne ein ,Helfersyndrom‘, interpretierten ihre Rolle aber neben der Beratungsleistung zu wenig als VerkĂ€ufer.“ In Zeiten, in denen Kaufhausketten Rollatoren anbieten, Discounter BlutdruckmessgerĂ€te verkaufen und das Internet als 24-Stunden-Marktplatz prĂ€sent ist, mĂŒssen die Betriebe jedoch umdenken: „Der SanitĂ€tsfachhandel muss sich dem Einzelhandel anpassen und aktiver auf den Kunden zugehen“, plĂ€diert Ladenbaudesigner Daniel Brockschmidt von Brockschmidt Visuals fĂŒr einen MentalitĂ€tswechsel. „Warum sagt man sich nicht auch mal, dass man den teuersten Rollator im Sortiment verkaufen möchte?“ Eine Ă€hnliche Einstellung vertritt auch Elke Park: „Beim Verkauf eines Hilfsmittels gibt es zahlreiche Nebenprodukte, die man zusĂ€tzlich anbieten kann.“

Mitarbeiter fördern

In erster Linie sollte die GeschĂ€ftsfĂŒhrung die oben skizzierte „Business-MentalitĂ€t“ vorleben und auf vielfĂ€ltige Art an ihre Mitarbeiter weitergeben, etwa durch klassische Fortbildungsprogramme mit verkaufsschulenden Elementen. Damit sich ein Kunde im SanitĂ€tshaus beim VerkĂ€ufer gut aufgehoben fĂŒhlt, muss sich der Mitarbeiter im eigenen Unternehmen ebenfalls wohlfĂŒhlen. GestaltungsfreirĂ€ume, flache Hierarchien und Talentmanagement gehören ebenso zu einer modernen Unternehmensphilosophie wie das Vorleben von FĂŒhrungsleitsĂ€tzen und eine transparenten Kommunikations- und Besprechungskultur. Je höher die Mitarbeitermotivation, desto grĂ¶ĂŸer die Chance, dass sich die Begeisterung fĂŒr ein Produkt auf den Kunden transferieren lĂ€sst. Aus gutem Grund tragen z. B. auch VerkĂ€ufer ohne SehschwĂ€che in BrillenfachgeschĂ€ften hĂ€ufig eine Brille als modisches Accessoire. Im SanitĂ€tshaus könnten Mitarbeiter etwa von ihren eigenen positiven Erfahrungen mit dem Gebrauch von Faszienrollen berichten.
Mit einer Kombination aus fachlicher Expertise und sozialer Kompetenz gilt es fĂŒr den SanitĂ€tsfachhandel, die eigene Stammkundschaft zu erhalten und auszubauen. Dies gelingt u. a. durch ein regelmĂ€ĂŸiges Angebot kostenloser Seminare oder die EinrĂ€umung eines RĂŒckgaberechts.
Letztlich geht es bei den SanitÀtshÀusern lÀngst nicht mehr um eine Konkurrenzsituation zwischen stationÀrem und digitalem Handel. Vielmehr sollte ein SanitÀtsfachgeschÀft in Betracht ziehen, in beiden SphÀren prÀsent zu sein, um der Erwartungshaltung der Kunden auch in Zukunft gerecht zu werden. Mehr zu diesem Thema in der kommenden Ausgabe.

Sind Sie Inhaber eines SanitÀtsfachgeschÀfts und haben Sie Ihre VerkaufsflÀche bereits auf das Internet ausgedehnt? BeschÀftigen Sie einen eigenen Social-Media-Manager oder betreiben Sie sogar einen YouTube-Kanal? Wir freuen uns, wenn Sie mit uns in Kontakt treten und Ihre positiven wie negativen Erfahrungen teilen.

Teil 4: Filiale rund um die Uhr geöffnet

Das Schaufenster ist attraktiv gestaltet, die Waren im Verkaufsraum kreativ prĂ€sentiert und der Mitarbeiter professionell ausgebildet – drei Faktoren, die fĂŒr den stationĂ€ren SanitĂ€tsfachhandel von großer Bedeutung sind. Doch was ist, wenn der Kunde nicht bereit ist, den Weg ins GeschĂ€ft auf sich zu nehmen? Wenn er womöglich aufgrund einer Krankheit oder Verletzung nur eingeschrĂ€nkt mobil ist oder seine Arbeitszeiten unter der Woche einen Besuch wĂ€hrend der Öffnungszeiten nicht zulassen? Hier kommt im 4. Teil unserer Serie „Zeit zum Handeln“ das Internet ins Spiel.

FĂŒr die JĂŒttner OrthopĂ€die hat der eigene Internetauftritt den Status einer zusĂ€tzliche Filiale. Foto: JĂŒttner OrthopĂ€die

Noch wird der meiste Umsatz in der Gesundheitsbranche im stationĂ€ren Handel getĂ€tigt. FĂŒr die Zukunft prognostizieren Experten allerdings eine weitere Zunahme des Onlinehandels. Wer fĂŒr die Zukunft gewappnet sein möchte, sollte mindestens ĂŒber eine aktuelle und lebendige Homepage verfĂŒgen, im besten Fall sogar ĂŒber eine Onlineshop-Variante.
„Die eigene Website ist mittlerweile oft der Ausgangspunkt fĂŒr einen Besuch des stationĂ€ren Handels“, verweist Tim Wohlleben, Abteilungsleiter Marketing der JĂŒttner OrthopĂ€die KG, auf die herausgehobene Bedeutung einer professionellen InternetprĂ€senz. Wohlleben geht sogar noch einen Schritt weiter: „Die Website muss den Status einer Filiale bekommen, um die sich ein Filialleiter und weitere Mitarbeiter tĂ€glich kĂŒmmern.“ Das eigene Engagement zahlt sich fĂŒr das MĂŒhlhĂ€user Unternehmen aus. So hat JĂŒttner nicht nur seine Zugriffszahlen steigern können, sondern 2016 den Marketingpreises „Leonardo Award“ in der Kategorie „Bester Internet-Auftritt“ gewonnen.

Visitenkarte des Unternehmens

Doch wie sollte eine nutzerfreundliche Homepage gestaltet sein? ZunĂ€chst einmal muss sich ein Besucher der Website intuitiv zurechtfinden. Hier sind leicht verstĂ€ndliche Rubriken, die von der Startseite aus zu den jeweiligen Themenbereichen fĂŒhren, von großer Bedeutung. Wichtige Angaben wie Kontaktmöglichkeiten oder Standorte und Öffnungszeiten der stationĂ€ren Filialen sollten direkt ins Auge fallen. Ein sinnvoll abgestimmter Einsatz hochwertiger Fotos lĂ€sst den Firmenauftritt im Netz zudem frisch und modern wirken. „Bei der Konzeption oder Neugestaltung von GeschĂ€ftsrĂ€umen rate ich den SanitĂ€tsfachhĂ€ndlern stets dazu, professionelles Bildmaterial fĂŒr die eigene Website anfertigen zu lassen. Denn die Fotos sind im Netz die Visitenkarte des Unternehmens“, betont Innenarchitektin Elke Park vom FachplanungsbĂŒro Parkraum.
Je mehr AktivitĂ€t auf einer Website herrscht, desto besser stehen die Chancen auf eine hohe Platzierung beim wichtigen Faktor „Google-Suche“. Die Zugriffszahlen können z. B. durch einen eigenen Firmenblog gesteigert werden, in dessen Rahmen ein Unternehmen Berichte und Geschichten aus dem eigenen Betrieb veröffentlicht, auf Veranstaltungen hinweist oder Tipps fĂŒr die Versorgung bestimmter Krankheitsbilder vermittelt. Marketingleiter Tim Wohlleben von der JĂŒttner OrthopĂ€die KG erklĂ€rt den Anspruch des eigenen Unternehmens: „Wir möchten ein Ratgeber fĂŒr die Kunden sein und ihnen mögliche LösungsansĂ€tze fĂŒr ihre Beschwerden anbieten.“ FĂŒr ihn sei es etwa ein Ansatz, Krankheitsbilder durch Kundengeschichten lebensnah und nicht zu wissenschaftlich erklĂ€ren zu wollen.

„Call to action!“

Konkret kaufmĂ€nnisch interessant wird es schließlich, wenn an die eigene Homepage zusĂ€tzlich ein Onlineshop angeschlossen ist. Über diesen Shop kann ein SanitĂ€tshaus rezeptfreie Produkte ĂŒbersichtlich prĂ€sentieren, ihre Verwendung erklĂ€ren und sie im besten Fall direkt verkaufen und an den EmpfĂ€nger versenden. Von Vorteil ist dabei, wenn sich SanitĂ€tshĂ€user aus GrĂŒnden der Warenlogistik an die Plattform eines GroßhĂ€ndlers angedockt haben: Wird ein Kunde von der Homepage eines Unternehmens auf die Shop-Plattform weitergeleitet, bekommt er davon in der Regel kaum etwas mit. Denn die Seite, von dessen Homepage aus er den Shop erreicht, wird automatisch mit dem Label des SanitĂ€tshauses „gebrandet“, von dessen Homepage aus er den Shop erreicht. Die Vorteile fĂŒr den KĂ€ufer liegen auf der Hand: Ein Online-shop ist 24 Stunden am Tag erreichbar, es kommt zu keinen Wartezeiten, und Produktinformationen lassen sich direkt von zu Hause oder von unterwegs abrufen. Die Einrichtung einer Telefonhotline oder sogar einer Online-Chat-Funktion seitens des Unternehmens stĂ€rkt den Service-Anteil und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines „Call to action!“, das heißt, einer aktiven Folgereaktion des Kunden – wie die Aufgabe einer Bestellung oder auch den Besuch einer stationĂ€ren Filiale. So schließt sich der Kreis von Online und Offline.
Die PrĂ€senz eines Unternehmens im Internet sollte aber nicht auf die eigene Website beschrĂ€nkt sein, sondern auch Social-Media-AktivitĂ€ten mit einschließen – zum Dialog mit den Kunden oder der AnkĂŒndigung neuer Produkte und Veranstaltungen. Mehr Informationen zu Facebook, Instagram und Co. erhalten Sie in der kommenden Ausgabe. â–